Der Detmolder Verpackungssteuer-Krieg

■ Von der unerträglichen Leichtigkeit, mit der die einen über Ökosteuern reden, und den Schwierigkeiten der anderen, sie zu machen / Beispiel Detmold: Im Lippe-Städtchen soll jede Getränkedose mit 70 Pfennigen besteuert werden

Aus Detmold B. Markmeyer

In der lippischen, schmuck herausgeputzten Kleinstadt Detmold kostet eine Dose Cola, Fanta oder Bier genausoviel wie anderswo. Doch hinter den Kulissen wird fleißig daran gearbeitet, daß dies anders wird. 70 Pfennig Steuern will die Stadt in Zukunft für jede verkaufte Getränkedose von den Detmolder EinzelhändlerInnen kassieren. Dann müßten die VerbraucherInnen für ihr Dosengetränk doppelt soviel bezahlen wie heute. Detmold will mit einer kommunalen Steuer auf Wegwerfverpackungen für Getränke gegen die Müllawine vorgehen. Kassiert werden soll nicht nur für Dosen, sondern auch für Einwegflaschen, Plastik- und Verbundverpackungen.

Daß ein solcher Vorstoß in einer fanatischen Wegwerfgesellschaft breiten Widerstand auslöst, ist klar. Und so ist denn die einjährige Geschichte der Getränkeverpackungssteuer in Detmold eine Geschichte von behördlichen Bedenken, rechtlichen Zweifeln, Herstellerprotest, Händlerempörung und mangelnder Solidarität. Denn daß Detmold mit seiner Steuer in die richtige Richtung geht, finden andere Stadtverwaltungen auch. Nach Auskunft des Städte- und Gemeindebundes sind bundesweit rund 50 Kommunen interessiert, es Detmold gleichzutun, darunter große Städte wie Köln, Essen oder Wuppertal. Doch den Ärger mit der Umsetzung überlassen sie dem kleinen Lippe-Städtchen. Nur Hannover und zwei kleine Nachbargemeinden Detmolds haben bereits ähnliche Satzungen beschlossen. In Detmold hat der vormalige Stadtdirektor Fritsche Ende Mai als letzte Amtshandlung Klage beim Verwaltungsgericht in Minden eingereicht, um in einem Musterverfahren die Wegwerfsteuer zu erstreiten. Sein Nachfolger muß sich nun in Geduld fassen, die Entscheidung wird auf sich warten lassen.

Dabei hatte alles so flott angefangen. Angeregt durch eine Studie des Heidelberger Umwelt- und Prognoseinstituts (UPI) über „Ökosteuern als marktwirtschaftliches Instrument im Umweltschutz“ veranstaltete der Detmolder Umweltschutzbeauftragte Walter Sauter vor eineinhalb Jahren eine Anhörung über kommunale Ökosteuern. VertreterInnen aller Detmolder Parteien, selbst einige der CDU, die später im Rat die Getränkeverpackungssteuer ablehnte, zeigten sich interessiert bis begeistert. Und die SPD war schneller als die Grünen: Sie brachte den Antrag auf die Steuer ein.

Im Sommer des letzten Jahres beschloß der Detmolder Rat mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP - die Befürworter in den Reihen der CDU enthielten sich immerhin - eine „Satzung über die Erhebung einer Getränkeverpackungssteuer“, um, so der SPD-Fraktionsvorsitzende Friedel Uthe, „wenigstens eine kleine Möglichkeit zu eröffnen, vor Ort gegen die Müllflut vorzugehen“. Vorgesehen ist, für eine Übergangszeit niedrigere Steuersätze zu kassieren, sie jedoch nach ein bis zwei Jahren auf die vom UPI als optimal errechneten Sätze von sieben bis acht Groschen pro Wegwerfverpackung festzulegen. Mögliche Käuferabwanderungen in Nachbargemeinden würden schnell dadurch kompensiert, daß diese mit der attraktiven Steuer, die sowohl weniger Müll als auch mehr Geld für die Müllbeseitigung bringt, nachziehen würden.

„Der Rat hat gründlich überlegt“, sagt Walter Sauter, „die kommunale Steuer ist nicht ideal. Aber solange landes- und bundesweit nichts geschieht, muß die Stadt tätig werden.“ Im Oktober 1989 verbot der Oberkreisdirektor die Steuer, Innenminister Herbert Schnoor (SPD) hatte die nötige Zustimmung des Landes versagt. Zwar habe er „Verständnis“ für die MüllgegnerInnen in Detmold, doch quälten ihn rechtliche Bedenken. Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen, so Schnoor, dürften zwar örtliche Verbrauchs- und Aufwandsteuern erheben, doch nur, wenn die besteuerte Ware tatsächlich am Ort verbraucht werde. Milchpackungen, die in Detmold gekauft werden, können aber auch in der Nachbarstadt Lemgo geleert werden. Also wirke die Getränkeverpackungssteuer über die Grenzen der Stadt Detmold hinaus, so der Minister, und sei deshalb nach einem Verfassungsgerichtsurteil von 1963 unzulässig.

Detmold legte Widerspruch bei der Kreisverwaltung ein. Hartmut Benkmann, Rechtsamtsleiter der Stadt Detmold, rüffelte das Steuerverbot: Die Definition der Getränkeverpackungssteuer als Verbrauchssteuer sei willkürlich, das Urteil des Bundesverfassungsgericht nach der Finanzreform 1969 veraltet, behandele außerdem Lebensmittelsteuern und sei auf Verpackungen gar nicht übertragbar. Im übrigen werde der knappe Bescheid des Ministers „dem komplexen Sachverhalt nicht gerecht“. Kopfschüttelnd fragte Benkmann, „ob es die Eigenart von Juristen ist, sich neuen Aufgaben zunächst zurückhaltend bis ablehnend entgegenzustellen“, nachdem hämische Juristenkollegen bereits einen „Nachruf auf die kommunale Getränkeverpackungssteuer“ verfaßt hatten. Denn noch hat es keinen Rechtsstreit um eine kommunale Verpackungssteuer gegeben, und Detmold hat die besseren Argumente.

Die Müllbeseitigung regeln die Gemeinden, also können sie, so Benkmann, soweit dies nicht durch Landes- oder Bundesgesetze erfaßt ist, auch die Abfallvermeidung als Teil der Müllbeseitigung regeln. Genau dazu dient die Getränkeverpackungssteuer. Besteuert werde nicht, wie der Innenminister angenommen hatte, der Verbrauch einer Wegwerfverpackung, sondern deren „Verwendung zum Verkauf eines Getränks“. Damit sei auch die Frage der ortsgebundenen Verbrauchssteuer geklärt, denn nur die in Detmold verkauften Getränkeverpackungen würden besteuert. Offen sei außerdem, ob die Verpackungssteuer überhaupt als Verbrauchssteuer oder als Verkehrssteuer anzusehen sei. Gleichartige Steuern auf Bundes- oder Landesebene, die Vorrang hätten, gebe es nicht, eben deshalb werde man ja auf städtischer Ebene aktiv. Die Kreisverwaltung lehnte den Widerspruch der Stadt Detmold am 15. Mai dieses Jahres ab, Hartmut Benkmann sieht nun dem Mindener Prozeß entgegen.

Der Detmolder Steuerstreit ist aber vor allem Politikum. Weniger als die Hälfte des gesamten Detmolder Mülls ist Hausmüll, Getränkeverpackungen wiederum sind nur ein Teil des Hausmülls. Doch selbst dafür scheitert eine Besteuerung an lustlos zusammengesuchten „rechtlichen Bedenken“ einer SPD-Landesregierung, während ihr eigener Umweltminister Klaus Matthiesen weiter Fensterreden über „knallharte“ Abfallvermeidung hält und die Bundes-SPD - mit Fortschritt 90 - öffentlichkeitswirksam für die Einführung von Energie und Ökosteuern plädiert. Der langwierige Juristenstreit blockiert die Detmolder Initiative. Sie wird vielleicht erst entschieden, wenn sie überflüssig geworden ist. Plastikflaschen beispielsweise fallen schon heute unter den Pfand-Erlaß von Bundesumweltminister Töpfer und nicht unter die Steuergesetzgebung.