Der Fahrtsimulator

■ Letzter Schrei auf dem Markt: die „Turbo Morgana“

Umsonst versuchte Verkehrsminister Fritz Zimmermann gestern die Menge zu beschwichtigen. Jedesmal wenn er anhob zu sprechen - „Liebe Frauen, Sie müssen verstehen...“ -, gellte ihm ein markdurchdringendes Pfeifkonzert entgegen. Nein, die zigtausend Demonstrantinnen, die zum Bonner Verkehrsministerium geströmt waren, wollten nicht verstehen müssen, sie wollten feste Zusagen. Sie fordern, daß der oberste Verkehrsmann der Republik endlich den Einbau von Fahrtsimulatoren in PKWs zuläßt. Die in endlosen Staus aufgebauten und bei „Tempo 100“ nicht abgebauten Aggressionen ihrer Männer würden ihnen das Heim zur Hölle machen.

Die Geräte, für die sich die Frauen neuerdings stark machen, wurden auf der diesjährigen internationalen Automobilausstellung in Frankfurt erstmals vorgestellt. Der Fahrtsimulator mit dem sportlich-exotischen Namen „Turbo Morgana“ halluziniert auf der Windschutzscheibe eine gut ausgebaute Landstraße mit langgezogenen Kurven oder bekannte und unfallträchtige Ralleykurse. Aber auch Wüsten- und Dschungelpisten können sich die off-road-Fans wählen. Und man kann sich auch eine Autobahn projizieren lassen, auf der links lauter Lahmärsche dahinschleichen, die man mit aufgeblendeten Scheinwerfern an die rechte Leitplanke scheuchen kann. Den optischen Eindruck umrahmen die dazu gehörigen Fahrtgeräusche. Modernste Technik erzeugt täuschend echte Beschleunigungs-, Brems- und Zentrifugalkräfte.

Der Simulator, der vor kurzem auf den Markt gekommen ist, tritt in Aktion, sobald das Fahrzeug länger als anderthalb Sekunden steht - also beispielsweise im Stau, aber auch vor Ampeln. Dann kann der Fahrer auf der simulierten Route loszimmern. Da kommen endlich mal die PS auf die Straße und der Turbolader zum Einsatz. Der Motor röhrt, die Reifen quietschen. Gnade der Oma, die jetzt die Straße überquert. Mann und Maschine werden bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeiten gefordert, derweil Sensoren die Ampelphase oder das vordere Fahrzeug beobachten und die Simulation automatisch abschalten, sobald die Ampel auf 'grün‘ springt, bzw. Bewegung in den Stau kommt. Bis zum nächsten Halt taucht der Fahrer aus der Illusion auf, um später dort weiterfahren zu können, wo er die Simulation verlassen hat.

Der Hersteller des „Turbo Morgana“ verspricht dem Autofahrer das Erlebnis einer freien Fahrt, das ihm in der modernen Massenverkehrsgesellschaft mit ihren Staus und Verstopfungen schlichtweg verweigert wird. Die Autofahrer sähen sich nur noch am Gängelband einer wachsenden Zahl von Verkehrsregeln und -regelungen, stellt der Produzent des Simulators fest, einen individuellen Fahrstil zu praktizieren, sei nur noch unter ständiger polizeilicher Verfolgung möglich. Individuell sei doch heute allenfalls noch das Nummernschild. Die Verkehrspolitik von Minister Zimmermann, so befürchten nicht wenige Autofahrer, strebe ihre totale Entmündigung an. Schon bald könnten ferngesteuerte Verkehrsleitsysteme (VLS) dem kurzum für überfordert erklärten Fahrer die Entscheidungen über optimale Route und Fahrgeschwindigkeit abnehmen. Freude am Fahren kommt schon lange nicht mehr auf. Mit dem Fahrtsimulator soll der Spaß hinters Lenkrad zurückkehren. Und nicht zuletzt verspricht damit auch wieder Harmonie ins Eheleben einzukehren - die ja oft auch nur darauf beruht, daß sie ihm was vormacht.

Joachim Eisbach