Polizeikugeln über Hausbesetzer-Köpfen

■ Polizeiliches Warnschießen nach Rangelei zwischen Neonazis und Nawatzki-Hausbesetzern

Mit Warnschüssen und der Drohung, beim nächsten Mal gezielt zu schießen, ist die Polizei am Samstag gegen BesetzerInnen des Nawatzki-Hauses in Bremen Nord vorgegangen. Das berichteten übereinstimmend mehrere Zeugen, die den Vorfall in der Weserstraße direkt beobachtet haben. Sie widersprechen damit dem offiziellen Polzeibericht, in dem lediglich von der „Androhung des Schußwaffengebrauchs“ die Rede ist. Unser Foto zeigt einen Beamten beim Griff zum Pistolen-Halfter.

Zu den Schüssen kam es am Samstag vormittag gegen 11.45 im Anschluß an eine Rangelei zwischen HausbesetzerInnen und

Rechtsradikalen aus den Reihen der NPD, die am Vegesacker Markt einen Info-Tisch mit übelsten Hetzkampagnen-Traktaten aufgebaut hatten. (O-Ton-Kostprobe: „Wir lassen uns nicht länger wie Hordenvieh zu irgendwelchen Holocaust -Gedenkstätten treiben, um ewige Schuld und Sühne zu bekennen. Schluß mit dem Erbschuldgelaber, weg mit der Moralsoße.“).

Als die HausbesetzerInnen morgens von den unerbetenen neuen Nachbarn ganz in ihrer Nähe erfuhren, unterbrach ein Dutzend von ihnen das Frühstück für einen kurzen Inkognito-Besuch. Kurz nach 11 mußte die NPD daraufhin ihre Agitation der Vegesacker wegen Material- und Tischmangel einstellen. Farbeier flogen und trafen, die Reste eines Tapezier-Tisches verschandelten als Kleinholz den Vegesacker Sedanplatz. Mit tränenden Augen - die Neonazis hatten plötzlich Tränengas unter ihrem „Info-Material“ entdeckt und zu dessen Verteidigung eingesetzt - zogen sich die HausbesetzerInnen zurück, um das unterbrochene Frühstück zu beenden. Kurz vor dem besetzten, wenige Seitenstraßen entfernten Haus wurden sie von zwei Polizei-Beamten gesichtet, die die Verfolgung aufgenommen hatten. Als eine Besetzerin stürzte, wurde sie von den Beamten auf dem Boden festge

halten, während die übrigen mit gezogener Pistole „in Schach“ gehalten wurden. Einer der Beamten schoß in die Luft und drohte: „Wenn ihr näher kommt, knalle ich euch ab“, um sich sofort zu korrigieren: „den schieße ich in die Beine“.

Der Polizeibericht faßt die Ereignisse so zusammen: „Die Gruppe nahm gegenüber den Beamten eine drohende Haltung ein,

was zu einer Androhung des Schußwaffengebrauchs führte.“

Wenige Minuten später erhielten die beiden Bematen Verstärkung. Drei Streifenwagen tauchten vor dem Nawatzkihaus auf. Während die zunächst festgenommene junge Frau in dem allgemeinen Durcheinander flüchten konnte, wurden zwei andere Hausbesetzer (Polizei-O-Ton: „Rädelsführer“) anschließend

verhaftet und in Handschellen eineinhalb Stunden auf dem 21. Revier festegehalten. Nachdem zwei NPD'ler die Gefesselten durch die Luken ihrer Einzelzellen begutachtet hatten und ihre Personalien aufgenommen waren, durften beide nach Hause gehen. Bis gestern morgen hing quer über die Weserstraße ein Transparent: „Polizisten schießen auf Antifaschisten“.

K.S.