'Faz– und die Falschtöddelei

■ betr.: "Der FAZ-Genitiv", taz vom 6.7.90

Grüße aus Rixdorf

betr.: „Der FAZ-Genitiv“,

taz vom 6.7.90

Ich halte es für falsch und gefährlich, die Falschtöddelei bei deutschen Genitiven zu verharmlosen, ist sie doch mehr als nur der Zipfel der zweiten Welle der Amerikanisierung. Treibt uns amerikatrunkene Westler schon seit Jahrzehnten der Donaldismus in die „grrrh-bbllbb-kncks-irx-kngs„-Sprache der Kinder Disneys, so schurigelt nunmehr das amerikanisierte Schotten-Mac nach Verdrängung des knackig grünen Blattsalats mit Zitronensaft oder Essigsauce durch das Salatblatt mit Plastikfleischeinlage im Pappbrötchen auch noch die Sprache mit dem falschen Töddel!

Haben Sie es auch schon gesehen? „Peter's Barbierstube“ schreibt Kasulke an seinen laden. Ich gehe nicht mehr dorthin! Ich gehe jetzt in die Rixdorfer Frisierstube, die können wenigstens richtiges Deutsch! Mielke kann nicht umhin, „Mielke's Familien-Restaurant“ an seine Pforte zu heften: Die Brauerei will es so, mit Töddel. Dabei verkrümelt sich der Töddel an die oberste Linie der Leuchtreklame und dort baumelt auch das „s“. Noch verzichtet Mielke allerdings auf die Ausgabe dieser amerikanischen Appetitzügler. Er bleibt seiner Altberliner Körriwurst treu.

Nun könnte man natürlich einwenden, das mit dem Töddel sei gar nicht so schlimm. So ein kleines Töddel! Baumelt lustig von oben herunter. Tut niemandem etwas. Ist harmlos. Was kann harmloser sein als ein überflüssiges, wenn auch falsches Töddel? Wie zum Beispiel in: „Tablett's bitte selber abräumen.“ Warum nicht gleich: „Tablett's mit Teller's und Tassen's in die Regal's selber's räumen. Dank's!“ Nein, diese Töddel sind nicht so harmlos, wie sie aussehen.

Im Frühjahr letzten Jahres fielen in Springers Gazetten die Töddel. Ja, genau: die Doppeltöddel vor dem „D“ und die Doppeltöddel nach dem „R“ beim Namen jenes Staates, den Kiesinger dereinst mit dem Pathos einer alternden Opern -Diva: „Ein Phänomen, ein Gebilde“ nannte. Und Springers Gazetten wählten nicht den polemischen Umweg, die Töddel von einst „DDR“ auf das polemische D„D„R zurückzunehmen. Hätte doch echt schick ausgesehen, oder? Schließlich kann man nicht mehr leugnen, daß die DR enorme Leistungen improvisieren kann, also existierten das erste D und das R real, nur eben mit dem Mittel-D gab es noch Schwierigkeiten. Aber nein: Auto-Bild-der-Frau-Welt ließ die Töddel fallen wie Lummers Stasi-Mieze das Höschen. Und was geschah? Erst fielen die Töddel und ein halbes Jahr später fiel die Mauer!

Ich will hier keine Publizistik-Theorie aufstellen über die Gefangenheit der DDR-Medien in der Töddel-Politik westlicher Medienkonzerne bezüglich der An- und Abführung des Namenskürzels der zweiten deutschen Republik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wären doch die Töddel heute bei der Formel „Zwei-plus-vier“ angebracht, deren größter gemeinsamer Nenner auf „Eins-zu-zwei“ gekürzt werden kann. Ein Töddel, gleich ob er nur als Single auftritt oder als Pärchen, hat eine Bedeutung und gehört nun einmal in die deutsche Sprache nur, wenn eine echte Auslassung erfolgt.

Um jegliches Mißverständnis zu vermeiden: Ich rede nicht der Abschaffung des Genitivs das Wort. Diesen und keinen anderen Rat wußte sich das Presseamt der Stadt Berlin (West). Prangte doch auf allen Briefumschlägen: „Nur innerhalb Berlin's nachsenden“. Ich monierte dies als falsches Deutsch, man könne gleich „Börlinn's“ draufschreiben. Das Presseamt verschickt seinen Landespressedienst fortan mit dem Aufdruck: „Nur innerhalb von Berlin nachsenden“. Da muß jemand tatsächlich in seinen Englischkenntnissen gewühlt haben und erinnerte sich, daß der sächsische Genitiv nur bei Personen angewendet werde, nicht aber im Deutschen! Wieso kapieren die Deutschen noch nicht einmal ihre eigene Sprache, meine einzige Heimat in diesem Land?

Vielleicht haben Sie nun doch, verehrte tazlerInnen, Verständnis für meine Sprachprobleme, ohne gleich nationalistischen Unrat zu wittern. Die rassistische Deutschtümelei der sogenannten Republikaner's ist mir fern, die können ja noch nicht mal richtig...

Christian Sternberg