Neil Bush bugsiert S&L ins Rampenlicht

■ Daß auch der Präsidentensohn ein kleines Rädchen im Getriebe des gigantischen Kreditskandals der USA ist, macht die nötigen Schlagzeilen / Es geht um Schulden in mindestens 500 Milliarden Dollar Höhe, für die Uncle Sam aufkommen muß

Aus Washington Rolf Paasch

„Wollen Sie unbedingt eine alte Frau weinen sehen“, erwiderte Barbara Bush dem Reporter, der sie auf dem Rückflug vom Wirtschaftsgipfel in Houston nach der Verwicklung ihres Sohnes Neil in den amerikanischen Sparkassenskandal fragte. Nur Stunden vorher hatte schon die ebenso emotionale Reaktion von US Präsident George Bush für Schlagzeilen gesorgt. „Das ist nicht leicht für einen Vater“, hatte er auf der abschließenden Pressekonferenz des Wirtschaftsgipfels zu den Anschuldigungen gegen seinen Sohn mit bebender Stimme geantwortet. Seither wanderte die Berichterstattung über „Amerikas größten Skandal des 20.Jahrhunderts“ vom Inneren des Wirtschaftsteils der Tagespresse auf die Titelseiten.

Durch die Verwicklung des Präsidentensohns in die Vergabe von unlauteren Krediten an windige Grundstücksspekulanten in Texas ist die seit Jahren unterdrückte und seit Monaten verdrängte Krise der US-amerikanischen Sparkassen und Hypothekenbanken (Savings&Loans, kurz: S&L) plötzlich das heißeste politische Thema im Lande. Mit der Figur des Neil Bush hat der S&L-Skandal endlich jene Qualität erlangt, ohne die in den USA kein Skandal einen Medienwert besitzt.

Dabei spielt der Jungunternehmer Neil Bush (35) in der totalen Pleite der amerikanischen Savings&Loans Industry nur eine winzige Nebenrolle. Er ist nur einer jener Aufsichtsräte in Hunderten von Lokalbanken, die nach der Liberalisierung der Sparkassenindustrie durch die Reagan -Administration dem Kreditrausch verfielen. Ob Mafiosi, Gründstücksspekulanten, CIA-Agenten oder selbstgemachte Finanzabenteurer - sie alle galten den Leitern der S&L in den achtziger Jahren plötzlich als kreditwürdig. Unter der deregulierten Regie dieser neuen Laissez-faire-Generation von Bankmanagern verwandelten sich die altehrwürdigen Sparbanken binnen kurzem in größenwahnsinnige Finanzinstitutionen mit milliardenschwerem Kreditvolumen. Der Grund für die Großzügigkeit der S&L-Manager: Trotz des Abbaus der Sparkassenaufsicht hatte die Reagan -Administration an der staatlichen Bürgschaft für Kredite festgehalten und die Summe sogar noch von 40.000 auf 100.000 Dollar erhöht. Während die Sparkassen mit ihren überhöhten Zinsen neue Anleger warben, um das Geld - und mehr - dann gleich an jeden dahergelaufenen Finanzakrobaten zu verleihen, würde Uncle Sam im Bankrottfall die Rechnung bezahlen. Und diese Rechnung hat es in sich.

Der Zusammenbruch des Grundstücksmarktes hat die Zahl der bereits bankrotten oder kaum noch zu rettenden Sparkassen auf rund 1.000 ansteigen lassen. Im Frühjahr mußte die Bush -Administration für das laufende Jahr einen Nachtragshaushalt von 50 Milliarden Dollar beantragen, um die Anleger der zusammengebrochenen S&L für ihre Verluste zu entschädigen. Es waren diese zusätzlichen Gelder, die George Bush vor zwei Wochen endgültig zum Bruch seines vielzitierten Wahlkampfversprechens („Lest genau meine Lippen!“) zwang, keine Steuererhöhungen zuzulassen. Der Rechnungshof des Kongresses schätzt die Kosten der gesamten Sparkassenpleite über die nächsten 30 Jahre auf 500 Milliarden Dollar, eine Universitätsstudie erwähnt gar die magische Zahl von einer Billion Dollar.

Wenn der amerikanische Steuerzahler demnächst begreife, daß ihn die Liberalisierungs-Bonanza der Reagan-Administration pro Kopf mehrere tausend Dollar kosten werde, so vermuteten politische Beobachter, könnte die S&L-Krise das große Thema des Präsidentenwahlkampfs von 1992 werden. Demokraten wie Republikaner hatten vor wenigen Wochen gerade damit begonnen, ihre gegenseitigen Beschuldigungsstrategien für den noch fernen Wahlkampf auszuarbeiten, da versaute ihnen der Sohn des Präsidenten plötzlich die Vorbereitungen.

Daß Neil Bush zwei Geschäftspartnern als Aufsichtsratsvorsitzender der texanischen Silverado Bank einen 100-Millionen-Dollar-Kredit zukommen ließ, ohne seine Geschäftsbeziehungen offenzulegen, hat die S&L-Krise nun zum Wahlkampfthema bei den Kongreßwahlen im Herbst werden lassen. Des Volkes Zorn im Rücken, haben die bisher desinteressierten Strafverfolgungsbehörden in der letzten Woche ein härteres Vorgehen gegen die Aktivitäten der Sparkassenbanditen gefordert - womit sogar Neil Bush jetzt der Prozeß und damit eine Millionenklage wegen Fahrlässigkeit droht.

Aber auch beide Parteien finden sich plötzlich tief in einen Skandal verwickelt, der quer durch die politischen Lager geht. Liberale Demokraten, reaktionäre Konservative und neutrale Kontrolleure der Industrie, alle wurden sie von den Kapitänen der aus dem Ruder geratenen S&L-Industrie geschmiert, wie in einem billigen Politthriller. Der Sparkassenbankrott, so die Zeitschrift 'US Today‘, sei im Begriff, zum „Watergate des Kongresses“ zu werden. Denn auch führende Demokraten sind viel zu tief in diesen Skandal verwickelt, als daß der Fall Bush-Junior zum alleinigen Schaden der republikanischen Administration ausgeschlachtet werden könnte.

Dennoch ist die Figur des eher unbedarft naiv denn kriminell wirkenden Präsidentensöhnchens für den öffentlichen Umgang mit der Krise von Bedeutung. Ausgerechnet der Präsidentensohn wird jetzt zum Symbol für den ungestraft operierenden Yuppie der 80er Jahre, der sich mit illegalen Finanztricks auf Kosten des einfachen Mannes bereicherte.