Innere Sicherheit und Männergewalt

■ CSU-Parteitag: Eine Frau störte die Harmonie der Herrenrunde zum Thema „Sicherheit für Bayern“ / Aber was ist mit der alltäglichen Gewalt gegen Frauen?

Nürnberg (taz) - „Die Faszination des Kommunismus ist vorbei, unserer freien Gesellschaft droht jetzt die Gefahr einer Zersetzung im Inneren.“ Bayerns Innenminister Edmund Stoiber ist im Arbeitskreis IV des Nürnberger CSU -Parteitages in seinem Element. „Bayern heißt Sicherheit“ ist das Thema, und Stoiber malt eine düster-bedrohliche Situation an die Wand. Während die Autorität des Staates zusehends sinke, entfalte das organisierte Verbrechen seine „schlimmste Wirkung“. „Wir brauchen keinen extremen Datenschutz, sondern verdeckte Ermittlungen“, schreit er förmlich seine Wut über die „Fünf-Prozent-Partei“ ins Mikrofon. Die FDP untergrabe die ordnungspolitische Konzeption der Christlich-Sozialen. Die CSU lasse sich aber ihre Vorreiterposition nicht nehmen. „Im Punkt Innere Sicherheit brennt es mir ganz heiß unter dem Herzen“, gesteht Stoiber seine Leidenschaft.

Carl-Dieter Spranger, Arbeitskreisleiter und Staatssekretär im Bundesinnenministerium, kann dies gut nachfühlen, schließlich gehe es hier um nichts anderes als um die „Schlüsselfrage unseres Volkes“ - und da lasse sich die CSU „von niemanden übertreffen“, sekundiert artig Bayerns Justizstaatssekretär Rosenbauer. Mit „Sicherheit ist Lebensqualität“ bringt Bayerns Innenstaatssekretär Becksein seine Lebensphilosophie in die Runde ein und Münchens Kreisverwaltungsreferent Uhl kann sich des Mitgefühls der Arbeitskreisbesucher sicher sein. Er hat es nicht leicht, schließlich müsse er im rot-grünen München für Sicherheit und Ordnung sorgen. Bei soviel Leidenschaft für die Polizei wird es dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes Zachert ganz warm ums Herz, und der für den DDR-Innenminister Diestel eingesprungene stellvertretende DSU-Vorsitzende Jürgen Schwarz ist begeistert: „Da lacht die Sonne über dem Rechtsstaat Bayern“.

Doch plötzlich wird die Harmonie der CSU/DSU-Männerrunde gestört - durch die einzige Frau im Sachverständigenrat. Andrea Welter, Frauenbeauftragte beim Polizeipräsidium Mittelfranken, hatte zwar bei ihren Vorrednern mit Beifall nicht gespart, doch unvermittelt greift die blonde 25jährige, von manchem CSU-Mann kurz zuvor noch mit begehrlichen Blicken bedacht, das an, was es nach CSU -Verständnis gar nicht gibt: Vergewaltigung in der Ehe und sexuellen Mißbrauch in der Familie. Wo vorher angesichts des Dämons der organisierten Gewalt gespannte Stille herrschte, kommt plötzlich Unruhe im Saal auf. So etwas hört die Herrenrunde gar nicht gern und Arbeitskreisleiter Spranger fällt außer dem Pflichtdank nichts mehr ein.

Wie gut, daß der Bayerische Ministerpräsident derlei Irritationen im Parteitagsplenum wieder zurechtrückt. Max Streibl fährt dabei schwere Geschütze auf. „Ehe und Familie sind natürliche, gottgegebene und in Jahrtausenden gereifte menschliche Lebensformen.“ Sie seien Grundpfeiler einer „menschenwürdigen“ Gesellschaft und eines „humanen“ Staates. Wer anderes denkt, der verabschiede sich schlichtweg „von der christlich-abendländischen Kultur“.

Bernd Siegler