Stoltenberg-Schelte von Nord-CDU

■ Die Schleswig-Holsteinische CDU verweigert sich ihrem Ehrenvorsitzenden: kein Nato-Herbstmanöver

Aus Kiel Jürgen Oetting

Der Stern des Bundesverteidigungsministers Gerhard Stoltenberg (CDU) sinkt weiter. Nachdem er bereits am vergangenen Freitag innerhalb der Koalitionsrunde in Bonn in der Frage der Wehrdienstverkürzung auf zwölf Monate eine Schlappe hinnehmen mußte, wenden sich jetzt selbst seine politischen Ziehkinder aus dem Norden von dem im Gefolge der Barschel-Affäre als Landesvorsitzenden abgelösten Stoltenberg ab. Der geschäftsführende schleswig -holsteinische CDU-Vorstand hat sich in Abwesenheit des Ministers einmütig gegen die Durchführung des NATO -Herbstmanövers „Bold Guard '90“ ausgesprochen. Damit schlossen sich die führenden Christdemokraten des nördlichsten Landesverbandes der Meinung des SPD -Ministerpräsidenten Björn Engholm an und nicht der ihres Ehrenvorsitzenden. Engholm hatte die Bundesregierung bereits vor zwei Wochen aufgefordert, das NATO-Herbstmanöver nicht mit den vorgesehenen 34 000 Soldaten, sondern lediglich als Stabsrahmenübung zu veranstalten. An der Sitzung des CDU -Gremiums hatten unter anderem Parteichef Ottfried Henning und die stellvertretenden Landesvorsitzenden Eberhard Dall'Asta und Peter Kurt Würzbach teilgenommen. Kein CDU -Politiker war nach der Sitzung bereit, zu bestätigen oder zu dementieren, daß der Landesvorstand das Manöver völlig ablehne. Dall'Asta wies jedoch auf seine „persönliche Meinung“ hin, daß das Manöver „derzeit nicht in die politische Landschaft paßt.“ Der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium Würzbach hat darüberhinaus bundeswehr-technische Bedenken. Durch die frühzeitigen Entlassungen würden den Bataillonen bereits im Herbst viele hochausgebildete Spezialisten fehlen.

Diese Tatsache, so Würzbach, müsse dazu führen, daß neben den „allgemeinen militärpolitischen Argumenten“ gegen Sinn und Umfang des Manövers neue Fragen geprüft werden. Darüberhinaus werden in der CDU negative Auswirkungen auf die DDR-Landtagswahlen am 14. Oktober befürchtet, wenn „Bold Guard“ ungebremst stattfindet.

Über den Sinn von militärischen Übungen mag Gerhard Stoltenberg derzeit nicht nachdenken. Er will jedoch mit den NATO-Partnerländern darüber sprechen, ob Reduzierungen an schwerem Gerät und Luftübungen möglich seien.