Groß(deutsch)es Kunstfach

■ Was wird mit den zwei Ausbildungsstätten für Kunstpädagogen?

EINE STADT - ZWEI BILDUNGEN

An der Außenfassade des HdK-Gebäudes in der Grunewaldstraße hängen, Aufmerksamkeit heischend, knallgelbe Transparente. Die 250 Studenten des Fachbereiches 6 (Kunsterziehung und Kunstwissenschaften) zeigen erstmalig ihre Arbeiten in einer großen Jahresabschlußausstellung. Am Sonntag war Eröffnung und gleichzeitig „Tag der offenen Tür“ für Kontakte und Diskussion. Eingeladen worden war hierzu auch die Sektion Ästhetik und Kunstwissenschaften, Fachbereich Kunsterziehung der Humboldt-Universität aus Ost-Berlin. Die ungeteilte Stadt beschert uns nun auch zwei Ausbildungsstätten für Kunstpädagogen. Erste Kontakte zeigten zur Verblüffung der Fachbereiche aus Ost und West, daß man sehr ähnliche Sorgen hat, Probleme und vor allem geradezu konforme Vorstellungen über das zukünftigen Berufsprofil von Kunstpädagogen.

In der DDR findet eine grundlegende Umbildung der Volksbildung und des Hochschulwesens schlechthin statt. Im Zuge der Reformbewegung strebt man ähnlich wie in West -Berlin die Möglichkeit eines „Einfachstudiums“ an; allerdings mit Sorge, ob der Fachbereich Kunsterziehung der Humboldt-Universität nicht unter das Messer Gesamtberliner Überlegungen gerät. In einem Papier des Westberliner Regionalausschusses soll es eine Passage geben, wonach die Ostberliner Kunst erziehungsausbildung in Zukunft nicht gebraucht wird. Das hieße das Aus für Ost-Berlin. An der HdK hingegen kämpft man immer noch um das Projekt eines „Großfachs bildende Kunst“. Die spezifischen Anforderungen der künstlerischen Ausbildung einerseits und andererseits der vom Lehrerbildungsgesetz herrührende Zwang zum Studium eines zweiten wissenschaftlichen Faches hatten zu einem alarmierenden Rückgang der Anmeldungen zum Staatsexamen geführt. Das Kunstpädagogikstudium ist einfach zu überlastet.

Die Leitung beider Fachbereiche beschloß, Nägel mit Köpfen zu machen, und nahm die Ausstellungseröffnung zum Anlaß für eine kurze öffentliche Arbeitstagung. Den Anfang bildete eine Bestandsaufnahme an beiden Schulen. Obwohl die DDR bisher eine sehr gute Hochschulausbildung anbot, blieben viele Kunstpädagogen nicht in der Volksbildung und wanderten in Verlage etc. ab. Inzwischen haben auch die Kunsterzieher an der Basis, die sich von den Veränderungen vor allem Reformen erwarteten, ganz andere Auswirkungen zu spüren bekommen. Sie sind die ersten, die an den Schulen entlassen werden. Sie neigen sogar bereits dazu, die vorgestellten Veränderungen als Utopien zu bezeichnen. Man tut sich schwer im Umgang mit den Behörden und muß erst lernen, die eigenen Interessen stärker durchzusetzen, steht den Institutionen beider Seiten allerdins sehr mißtrauisch gegenüber.

Und beide, Ost- und Westpädagogen, halten die Existenz von zwei nebeneinander bestehenden Modellen für durchaus positiv, und Positionen sollten keinesfalls im Wiedervereinigungsprozeß widerspruchslos aufgegeben werden. Genauso wie die Studenten während ihres Studiums zu individuellen Konzeptionen gelangen sollen, müssen sich die Hochschulen ihrer Eigenart und Schwerpunkte bewußt werden. Beide Modelle sollten als Wahlmöglichkeit für Studenten erhalten bleiben.

Markstein

Die Ausstellung der Studierenden läuft noch bis zum 21.Juli, 15-21 Uhr in der HdK, Grunewaldstr.