Legalisierung für Besetzer geplant

■ Heute soll im Magistrat eine Vorlage des Stadtrates für Stadtentwicklung und Regionalplanung beraten werden / „Illegaler Wohnungsbezug“ für die Verwaltungen nur schwer zu erfassen / In Prenzlauer Berg wird „gebeten“ - in Lichtenberg geräumt

Ost-Berlin. Heute soll im Magistrat eine Vorlage beraten werden, die einerseits bestehende Hausbesetzungen in bestimmten Fällen legalisieren und andererseits neue „wilde“ Besetzungen verhindern soll. Dies erklärte die Mitarbeiterin beim Stadtrat für Stadtentwicklung und Regionalplanung, Buchholz. Mit einer Räumung ist Frau Buchholz zufolge bei solchen Objekten zu rechnen, „deren baulicher Zustand eine Gefahr für Leib und Leben“ der Besetzer bedeute. Darunter würde auch das Gebäude des ehemaligen „Hauses der Technik“ in der Oranienburger Straße fallen, in dem der „Kulturverein Tacheles“ sein Domizil geschaffen hat.

In Ost-Berlin, so Frau Buchholz weiter, gebe es zur Zeit 84 besetzte Häuser. Das bedeute „eine starke Zunahme seit Beginn des Jahres“. Die Tendenz sei weiterhin steigend. Das dem Magistrat vorliegende Papier sehe vor, daß künftig „besetzungswillige Bürger“ mit den jeweiligen Rechtsträgern Verträge über die Nutzung und Instandsetzung leerstehender Gebäude abschließen können. Ausgenommen sind laut Auskunft von Frau Buchholz Gebäude, deren Sanierung bereits offiziell geplant ist. Doch nicht nur die besetzten Häuser stellen sich für die Wohnungsverwaltungen Ost-Berlins als ein Problem dar; komplizierter, weil schwerer zu überblicken, sind für sie die sogenannten „illegalen Wohnungsbezüge“, mit denen die KWV allerdings schon immer konfrontiert wurden.

Neuerdings avanciert diese Art von Wohnungsbeschaffung fast zu einer Selbstverständlichkeit. Ostberliner, die via Ungarn in die Bundesrepublik flüchteten, hatten verständlicherweise wenig Interesse daran, sich vorher bei den zuständigen Stellen abzumelden. In vielen Fällen wurde der Wohnungsschlüssel an bis dato erfolglos wohnungssuchende Bekannte abgegeben, die daraufhin stillschweigend die fällige Wohnungsmiete weiterzahlten.

Anders liegt der Fall Jörg-Detlef B. (22): „Seit vier Jahren habe ich einen Wohnungsantrag zu laufen. Damals hieß es, wer eine leerstehende Wohnung nachweisen kann, bekommt sie auch außerhalb des offiziellen Vergabeplans zugesprochen. Neun Wohnungen hatte ich bei der KWV gemeldet, aber immer hieß es, sie sei schon vergeben. Dabei standen manche schon seit Jahren leer.“ Anfang Mai diesen Jahres machte er sich erneut auf die Suche. Bald schon hatte er in einem Hinterhaus eine geräumige Zweizimmerwohnung ausfindig gemacht, die nach Aussagen von Hausbewohnern schon über ein Jahr lang nicht mehr bewohnt wurde. Er besetzte die Räumlichkeiten und begann mit der Renovierung. Danach begab er sich zur KWV und bat um einen Mietvertrag. Zu seinem großen Erstaunen wurde der ihm dann auch problemlos bewilligt.

Wohnungswirtschaftlerin Schramm von der Wohnungsverwaltung 14 in Prenzlauer Berg bestätigt diese Verfahrensweise: „Kommt es in unserem Verwaltungsbereich zum illegalen Bezug einer Wohnung, so machen wir von zwei Möglichkeiten Gebrauch. Entspricht die Wohnungsgröße in etwa dem gerechtfertigten Anspruch des Bürgers, so legalisieren wir den Bezug nachträglich; sollte sich jedoch zum Beispiel eine Einzelperson in eine Vierraumwohnung setzen, so bitten wir ihn schriftlich, sie wieder zu räumen.“ Eine andere Möglichkeit, als den Besetzer zu bitten, so Frau Schramm, sei ihr gegenwärtig nicht möglich.

Weniger rücksichtsvoll verhält sich dagegen die KWV Lichtenberg. Ursula Franz, ehemals Direktorin für Bewirtschaftung der Kommunalen Wohnungsverwaltung Lichtenberg und jetzt nach eigenen Worten „technische Mitarbeiterin“, zur taz: „Die Zahl der illegal belegten Einzelwohnungen beträgt bei uns derzeit nicht mehr als vier oder fünf. Wir verfahren dabei grundsätzlich so, daß der illegale Mieter von uns eine Räumungsaufforderung erhält. Sollte er dieser nicht nachkommen, beantragen wir die Räumung bei Gericht. Da unsere Beziehung zum Stadtbezirksgericht sehr gut sind, dauert es meist nicht länger als vier Wochen, bis die Räumungsklage realisiert ist.“ Der Bürger müsse dann dahin ziehen, wo er hergekommen sei. Schlechte Aussichten also für Wohnungsbesetzer in Lichtenberg.

Olaf Kampmann