Geehrt und gleich geschändet

■ In Tübingen wurden Gräber von Nazi-Opfern geschändet

Tübingen (taz) - Ein kleiner Ehrenhof auf dem Tübinger Stadtfriedhof: drei Steinkreuze und einige Bronzeplatten mit den Namen von 500 Nazi-Opfern. Seit Sonntag sind die Kreuze mit Hakenkreuzen beschmiert, Gedenkplatten wurden beschädigt, auf einem der Kreuze steht mit weißer Farbe „Jude raus“. Die Staatsanwaltschaft Tübingen ermittelt, der Polizei fehlen jegliche Hinweise auf die Täter. Beobachtungen aus der Bevölkerung gibt es nicht. „Die Verwendung der Nazisymbole läßt auf eine rechtsradikale Täterschaft schließen,“ sagt der leitende Oberstaatsanwalt Lutz Hackemann dazu. Das könne allerdings auch vorgetäuscht sein.

Vor wenigen Tagen waren auf dem Tübinger Friedhof Anatomiepräparate von Naziopfern bestattet worden. Kritik an der Universität Tübingen wurde dabei aus dem linken Lager laut: der Schlußakt käme zu spät. Die Anatomiepräparate waren in den letzten Jahren noch als Demonstrationsobjekte verwendet worden. „Wenn sich der Anschlag gegen die Universität richtet, könnte es auch eine linke Gruppe sein“, mutmaßt Hackemann. Bei der Bestattung der Anatomiepräparate wurde eine neue Gedenktafel der Universität angebracht und ein Trauerkranz niedergelegt. Kranz und Tafel wurden gestohlen. Die Tafel fand sich zertrümmert vor dem Gebäude des 'Schwäbischen Tagblattes‘ in Tübingen wieder - ein Hakenkreuz und die Worte „Rotfront verrecke“ waren aufgesprüht. „Die Zeitung hat zu dem Ereignis sehr engagiert geschrieben“, sagt Hackemann.

Im Bereich Tübingen und Reutlingen gab es schon mehrfach neonazistische Gräberschändungen. Der Judenfriedhof bei Wankheim war 1986 und 1989/90 beschädigt worden. In Rottenburg/Baisingen wurden 1981 und 1984 jüdische Gräber geschändet. Die Täter wurden nie gefaßt.

Karin Mayer