Krefelder Landrecht

■ Gericht sprach Angeklagten frei, weil die vergewaltigte Frau zu wenig Widerstand leistete

Berlin (taz) - Wann ist eine Vergewaltigung eigentlich eine Vergewaltung? Sie ist nach wie vor keine, wenn sich das Opfer nicht sicht-, spür- und vor allem nachweisbar wehrt. Sie ist keine, wenn sich der Angreifer damit herausreden kann, er habe überhaupt keinen Widerstand gespürt.

Diese immer noch vorherrschende Auffassung wurde vergangenen Freitag von der Zweiten Großen Strafkammer Krefeld wieder einmal „im Namen des Volkes“ per Urteil nachdrücklich bekräftigt. Aus „subjektiven Gründen“ sprach sie einen Vergewaltiger frei, weil dem Täter der Vorsatz gefehlt hätte, und er davon ausgehen konnte, daß die überfallene Frau freiwillig mit ihm Geschlechtsverkehr hatte, so das Gericht. Der besoffene Josef W. (36) hatte eines Nachts im vergangenen Oktober eine Bekannte, die 52jährige Roswitha M., auf der Straße getroffen. Er packte sie am Handgelenk und zerrte sie in seine 15 Minuten entfernt gelegene Wohnung. Dort schlug er sie ins Gesicht und befahl ihr unmißverständlich, sich auszuziehen. Danach vergewaltigte er sie mehrere Male. Roswitha M. war so überrascht und hatte so große Angst, daß sie jeden Widerstand für zwecklos hielt.

So befolgte sie alle Weisungen und ließ alles mit sich geschehen. Wie sie vor Gericht aussagte. Selber schuld, meinte wohl schon der Staatsanwalt, der im Verhalten der vor Angst gelähmten Roswitha M., in ihrem zögerlichen Verhalten „objektiv“ keine Widerstandshaltung erkennen konnte. Der stark angetrunkene Angeklagte hätte gar nicht merken können, daß er der Frau Gewalt antat. Schließlich sei sie ohne „Fluchtversuch“ oder Hilferuf mit dem Mann mitgekommen. „Die bloße Duldung des Geschlechtsverkehrs ist noch kein Einverständnis“ argumentierte hingegen der Nebenklagevertreter, sah einen bedingten Vorsatz für die Tat und drang auf Verurteilung.

Das Gericht aber war da anderer Meinung. Die vergewaltigte Frau sei zwar glaubwürdig und ihr sei Unrecht geschehen, erklärte der Vorsitzende Richter, doch hätte Roswitha M. ihren Gegenwillen deutlicher machen müssen. Der Angeklagte wurde freigesprochen - die Prozeßkosten bezahlt die Staatskasse. Und die Moral von der Geschicht? Frauen schlagt endlich zurück!

uhe