SPD lockt mit Listenplätzen

■ Angebote an Vertreter der Bürgerbewegungen erfreuen auch Fraktion Bündnis 90

Aus Berlin Beate Seel

Zwei Seelen scheinen derzeit in der Brust der Volkskammerabgeordneten des Bündnis 90 zu wohnen. Die VolksvertreterInnen, die im Hinblick auf gesamtdeutsche Wahlen am liebsten unter einem grünen „Dach“ antreten würden, erwägen mittlerweile auch, unter bestimmten Bedingungen auf Listenplätzen der SPD zu kandidieren. Die SPD hat bislang einzelnen Persönlichkeiten aus dem Spektrum der Bürgerbewegungen - die Rede ist von zehn - entsprechende Angebote unterbreitet. Am Rande seines heutigen Besuchs in Ost-Berlin dürfte Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine auch mit dieser Gruppe zusammentreffen.

Hintergrund des SPD-Angebots ist der Vorwurf, mit ihrem Eintreten für ein einheitliches Wahlgebiet und die Fünf -Prozent-Hürde verhindere sie, daß die Akteure der friedlichen Revolution in der DDR auch in das neue gesamtdeutsche Parlament einziehen. Die Pressesprecherin der Fraktion Bündnis 90/Grüne, Katrin Steinetz, erklärte am Montag auf Anfrage, man wolle nicht einfach zusehen, wie die SPD einzelne Leute zu sich rüberziehe. Daher will man der SPD nun ein Gesprächsangebot unterbreiten. Der Offerte der SPD, auf den sozialdemokratischen Listen zu kandidieren, stehe man „nicht völlig abweisend“ gegenüber, allerdings nur unter gewissen Bedingungen. So soll die Kandidatur nicht mit einem Eintritt in die SPD verknüpft werden. Außerdem sollen die künftigen Angeordneten des gesamtdeutschen Parlaments nicht dem Fraktionszwang unterliegen, sondern eine eigenständige Gruppe innerhalb der Fraktion bilden. Schließlich, so die Vorstellungen beim Bündnis 90, sollen die Bürgerbewegungen selbst entscheiden, wer von ihnen auf der SPD-Liste antritt.

Angesichts des Zeitdrucks, so Steinetz weiter, erwäge man nun einen solchen Schritt, damit die Bürgerbewegungen überhaupt in einem gesamtdeutschen Parlament vertreten sind: Die Idee einer grün-alternativen Bürgerbewegung scheine sich nicht zu realisieren, das Streben nach Eigenständigkeit sei speziell beim Neuen Forum zu stark. Das Neue Forum hatte kürzlich auf einem Republiktreffen entschieden, die Frage einer Kandidatur den Landesverbänden zu überlassen, die jedoch unterschiedliche Haltungen einnehmen.

Eine Überlegung in Fraktionskreisen, ein grünes Bürgerforum als Wahlpartei zu etablieren, stieß bei der Basis auf wenig Gegenliebe und wird nicht mehr weiterverfolgt. Ungeachtet des SPD-Angebots und dem Liebäugeln einiger Abgeordneter mit sicheren Listenplätzen gehen jedoch die Bemühungen um ein grün-bürgerbewegtes Bündnis zu den Wahlen im Dezember weiter. Am 5. August findet die nächste Gesprächsrunde in Ost-Berlin statt.