„Erst im Wohnheim die Nummer holen...“

■ Nächtelanges Warten bleibt Flüchtlingen erspart: Ausländerbehörde gibt Wartenummern in Wohnheimen aus / Weiterhin willkürliche Praxis bei der Verteilung ins Bundesgebiet

Wedding. Die Notbetten aus Pappkartons, Müllsäcken und Sperrmüllmatratzen sind verschwunden, die mitternächtlichen Prügeleien um die besten Plätze in der Schlange finden nicht mehr statt. Die schlimmsten Zustände vor der Ausländerbehörde am Friedrich-Krause-Ufer sind fürs erste beseitigt. Bis Anfang letzter Woche kampierten Flüchtlinge oft mehrere Tage und Nächte vor dem Eingang, um überhaupt eingelassen zu werden und einen Asylantrag stellen zu können. Seit Freitag bleibt den meisten diese entwürdigende Prozedur erspart: Die Ausländerbehörde gibt in den Wohnheimen Wartenummern aus. Der Andrang ist allerdings weiterhin groß. Jeweils achtzig bis hundert Menschen drängten sich gestern morgen kurz vor Öffnung der Behörde um sieben Uhr vor den drei Eingangstoren. Die ersten Flüchtlinge kamen bereits in den frühen Morgenstunden. Wer keine Nummer vorweisen konnte, riskierte, stundenlang umsonst anzustehen.

Statt wie noch vor einer Woche in Kampfanzügen und Schutzhelmen kontrollierten - im Hemd und mit Barett auf dem Kopf - Beamte die Eingänge zur Ausländerbehörde und Zentralen Sozialhilfestelle für Asylbewerber. Polizisten versuchten Flüchtlingen auf Englisch den bürokratischen Hürdenlauf zu erklären: „Erst die Nummer holen - im Wohnheim oder beim Roten Kreuz.“ Bei der Frage eines Afrikaners, wo denn das „german Red Cross“ sei, wußte dann auch der Beamte nicht mehr weiter: „In every hospital...“ Der Berliner Flüchtlingsrat hat nun angekündigt, Informationsblätter in den Sprachen der Hauptherkunftsländer zu verteilen.

Bei der Verteilung von Wartenummern in den Wohnheimen will es die AL keinesfalls belassen. Der ausländerpolitische Sprecher der Partei, Hartwig Berger, sprach sich erneut für eine Dezentralisierung des Asylverfahrens aus: Anstatt vor den Toren der Asylstelle ein Nadelöhr zu schaffen, sollen die SachbearbeiterInnen die Anträge in den Wohnheimen entgegennehmen. Im Senat brüten derzeit immer noch Vertreter des Landeseinwohneramtes, der Innenverwaltung und der Sozialverwaltung über mögliche Verbesserungsvorschläge. Auch eine Dezentralisierung ist nach Auskunft der Sprecherin der Innenverwaltung, Grobecker, noch im Gespräch.

Während bei der Asylstelle - allerdings erst nach mehreren Wochen - Verbesserungen eingeleitet wurden, ist die Praxis bei der Weiterleitung von Flüchtlingen in das Bundesgebiet weiterhin willkürlich und bürokratisch. RechtsanwältInnen haben wiederholt kritisiert, daß bei der sogenannten Verteilung der Asylantragsteller in andere Bundesländer Familien auseinandergerissen werden. Dies wiegt um so schwerer, als in einigen Bundesländern die Flüchtlinge für die Dauer des Verfahrens den zugewiesenen Landkreis nicht verlassen dürfen. Protestieren sie selbst bei der Ausländerbehörde, wird ihnen ein Handzettel mit der Adresse des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Zirndorf in die Hand gedrückt - in Kindersprache (siehe Faksimile).

Andrea Böhm