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„Helfen, das Leben pfiffiger zu gestalten“

■ Gespräch mit Hanna Biamino, Mitarbeiterin der sozialpädagogischen Fortbildungsstätte „Haus am Rupenhorn“ und Vorsitzende des Trägervereins

INTERVIEW

taz: Was können neun oder später fünfzehn Streetworker ausrichten?

Hanna Biamino: Die können in einem kleinräumigen Gebiet, in dem sich Jugendliche aufhalten, einigen dieser Jugendlichen beistehen, Perspektiven zu finden und ihr Leben etwas pfiffiger zu gestalten. Mehr nicht.

Was kann ein Trägerverein wie der ihre ausrichten?

Der Trägerverein muß der fachlichen Beratung dienen. Straßensozialarbeit bringt einen immer in die Situation, zwischen zwei Stühlen zu sitzen. Da sind der Anspruch des Staates, der Anspruch der Ordnungsmacht, der Anspruch der Öffentlichkeit und der Anspruch der Jugendlichen - und die widersprechen sich bekanntermaßen häufig. Da ist es ganz nützlich, wenn diese Sozialarbeiter nicht direkt beim Staat angestellt sind. Außerdem sitzen in diesem Verein 35 Mitglieder aus den verschiedensten Bereichen. Mit diesem geballten Fachwissen und auch einigen politischen Funktionen läßt sich in der Öffentlichkeit schon was machen - zum Beispiel gegen die zunehmende Kriminalisierung dieser Jugendlichen anzugehen. Es geht hier überhaupt nicht darum, Gewalt gegen andere herunterzuspielen - nur fängt die Kriminalisierung inzwischen weit unter dieser Ebene an.

Vor einem Jahr waren rechtsradikale oder rechts orientierte Jugendliche in aller Munde, jetzt sind es die „Gangs“ mit Jugendlichen türkischer oder arabischer Abstammung. Erstere existieren nach wie vor. Sollen sich die Streetworker nun beiden „Szenen“ widmen?

Die Zahl der Stellen ist nun mal sehr klein. Wir müssen uns einfach auf bestimmte Brennpunkte konzentrieren. Im Moment stehen die Jugendlichen aus den sogenann ten Banden oder Gangs - die ich lieber als Cliquen bezeichne - im Brennpunkt. Und da sind eben viele Berliner Jugendliche mit ausländischem Paß dabei. Zur Genese dieser Gruppen müssen einige Punkte immer wieder genannt werden: Eine Chancengleichheit zwischen ausländischen und deutschen Jugendlichen gibt es nicht; das alte wie das neue Ausländergesetz grenzt nicht-deutsche Jugendliche aus; es hat Angriffe von rechts orientierten Jugendlichen auf ausländische Menschen gegeben - und es gibt sie weiterhin. Das muß man immer wieder berücksichtigen - auch wenn sich dies als Legitimation für die Gangs teilweise verselbständigt hat.

Stichwort Chancengleichheit: Die deutschen Jugendlichen haben mit der Grenzöffnung neues Terrain zu entdecken - ob nun das Umland oder die Kneipen und Diskos in Ost-Berlin. Ausländische Jugendliche riskieren, sehr viel offener als hier, mit Ausländerhaß konfrontiert zu werden. Bleibt für sie die Grenze dicht?

Ich befürchte das sehr. Wobei ich mir manchmal nicht erklären kann, wieso dieser Ausländerhaß in Ost-Berlin so massiv ist. Keine Frage, die Chancen der ausländischen Jugendlichen im Freizeit-, aber auch im Ausbildungsbereich verschlechtern sich noch einmal. Da braucht man nichts zu beschönigen. Daran können auch die fünfzehn Streetworker nichts ändern.

Interview: Andrea Böhm

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