Deal ums „Druckhaus Norden“?

■ Im Auftrag einer Briefkastenfirma wurde der Maschinenpark des Druckhauses versteigert / Hat die Besitzerin der SEW-SED-PDS-nahen Druckerei Besitz und Maschinen an sich selbst verkauft?

Moabit. Hochbetrieb im dritten Stock der Gotzkowsky-Schule. Das Industrie-Auktionshaus Opp aus Düsseldorf versteigerte dort gestern das bewegliche Inventar des „Druckhauses Norden“, in dem früher u.a. die SEW-Zeitungen gedruckt wurden. Vom „Gummifinger“, vier Stück für 15 Mark, bis zur 4 -Farben-Offset-Druckmaschine Planeta Polygraph, Typ Supervariant, Baujahr 1985 für 350.000 Mark, war alles zu haben. Rund 300 Interessenten aus Europa sowie eine Delegation aus Istanbul hoben die Pappkarten bei den Geboten. Zum ersten, zum zweiten, zum dritten, der Hammer fiel, Millionenwerte gingen über den Tisch.

Aber wer verdiente an dem Deal? Die PDS? Nachlaßverwalter der inzwischen aufgelösten SEW? Oder gerissene Spekulanten aus dem Umfeld SED/PDS/SEW? Offiziell folgte die Versteigerung einem Konkursantrag des Druckhauses vom 20.3. Der Konkurs wurde beantragt, obwohl die Auftragslage gut war. Das Druckhaus gehörte einer ominösen Schweizer Gesellschaft namens ORVAG AG, diese wiederum gehörte der SED. Zur Überraschung der PDS allerdings wurden schon im Herbst 1989 die Aktien mit einem Nennwert von 500.000 Mark an einen Unbekannten verkauft. Dieser Unbekannte also hat das Druckhaus Norden veranlaßt, den Konkurs anzumelden. Der Verein zur „Überführung des Druckhauses Norden in Belegschaftshand“ (taz v. 20.2.) setzte ein Detektivbüro auf den unbekannten Besitzer an, allerdings vergeblich.

Aber es gibt noch weitere Ungereimtheiten. Wenige Tage vor dem Konkursantrag verkaufte das Druckhaus den gesamten Maschinenpark für 1,35 Millionen Mark an die Firma Franken, „Planung, Organisation und Vermittlung für die graphische Industrie“ in Gütersloh. Nachforschungen des Belegschaftsvereins ergaben aber, daß es eine Firma Franken überhaupt nicht gibt. Unter der Gütersloher Adresse, Badstraße 12, firmiert ein „Kurhaus Güthenke“, eine Briefkastenfirma.

Der Hintergrund des gesamten Deals ist dem ehemaligen Betriebsrat des Druckhauses Norden, Christian Stephan, unklar, aber eines weiß er genau: irgend jemand, vermutlich altstalinistische Kader aus der Honecker-Ära, haben hier „doppelt verdient“. Sie hätten sich einmal mit der „Übernahme der ORVAG-Aktien einen erheblichen Immobilienbesitz in Berlin unter den Nagel gerissen“ und verdienten nun zum zweiten Mal an der Versteigerung des Maschinenparks. Der Erlös übersteigt den Verkaufswert an die Briefkastenfirma erheblich.

Das Augenmerk richtet sich jetzt auf eine „Gesellschaft für die Förderung des Presse- und Verlagswesen“ in Luxemburg. Diese Firma war offiziell bis 1986 zu 50 Prozent bei der ORVAG beteiligt. Es existieren Hinweise, daß die ORVAG ihr gesamtes Aktienkapital an ebendiese Luxemburger Holding verkauft hat und daß diese Geldwaschanlage auch hinter der Gütersloher Briefkastenfirma steckt. Wenn das stimmt, dann hat die ORVAG es über Mittelsmänner und dunkle Kanäle geschafft, den gesamten Besitz des ORVAG-Vermögens an sich selbst zu verkaufen.

aku