Klappt die BVG die Bahnsteige hoch?

■ Dem durchgehenden Nachtverkehr auf den U-Bahnlinien 1 und 9 droht das Aus / Die BVG will ihr Angebot zusammenstreichen

West-Berlin. Nachtschwärmer können sich schon mal mit neuen Regenschirmen ausrüsten. Voraussichtlich müssen sie pünktlich zu Beginn der naßkalten Jahreszeit wieder draußen an der Haltestelle auf den Nachtbus warten. Dem durchgehenden Nachtverkehr auf den U-Bahnlinien 1 und 9, den die BVG seit April an den Wochenenden anbietet, droht das Aus. Weil ihr angeblich Personal und Geld fehlen und die Waggons mit Obdachlosen bevölkert seien, denkt die BVG an eine Streichung des Angebots.

BVG-Sprecher Wolfgang Göbel dementierte entsprechende taz Informationen gestern nur halbherzig. „Das trifft so nicht zu“, erklärte der Sprecher. Die BVG suche zur Zeit „verschärft“ nach Einsparmöglichkeiten, räumte Göbel gleichzeitig ein. Weil der Senat seinen Zuschuß nicht - wie gefordert - um 270 Millionen Mark, sondern nur um 200 Millionen auf jetzt 900 Millionen Mark aufstocken wolle, müsse schärfer gerechnet werden. Wenn es bei dem begrenzten Zuschuß bleibe, drohte der Sprecher, „dann wird einiges nicht gehen“.

Der Nachtverkehr auf den beiden U-Bahnlinien, betonte Göbel, sei von Anfang an nur „ein Versuch“ gewesen. Nach einem halben Jahr müsse sich zeigen, ob dieses Angebot Bestand haben könne. Schon im Juni hatte eine private Firma im Auftrag der BVG die Fahrgastzahlen ermittelt. Ergebnis laut Göbel: Nach 2 Uhr 30 nehmen die Fahrgastzahlen „drastisch ab“. In der Nacht vom Freitag, dem 22. Juni, auf den darauffolgenden Samstag beispielsweise seien auf der Linie 9 zwischen Zoo und Kurfürstendamm 1.800 Passagiere unterwegs gewesen, die meisten davon in der Zeit vor 2 Uhr 30. In dieser Phase habe ein U-Bahnzug allein 400 Fahrgäste befördert.

Ob das bedeutet, daß die BVG ihre U-Bahnen zu späterer Zeit nicht mehr fahren läßt, wollte der Sprecher nicht beantworten. Sicher ist, daß der Unmut in manchen Abteilungen der BVG wächst. Die ohnehin von Überstunden geplagten Fahrer beschweren sich, weil sie sich nun auch um die Obdachlosen kümmern müssen, die die Nachtzüge als Zuflucht benutzen. Sogar als Toilette würden die Waggons benutzt, wird geklagt: „Wenn das dann durch den ganzen Wagen schwappt, ist das schon unangenehm.“ Nachdem die von der Planungsabteilung der BVG beauftragte Privatfirma ihre Zahlen vorgelegt hatte, veranstaltet nun auch die Bahnabteilung eine eigene Fahrgastzählung in den Nachtzügen. Angeblich geschieht das, um die neuen Verkehrsströme seit der Währungsunion zu erfassen; Eingeweihte argwöhnen jedoch, daß manchen BVG-Verantwortlichen die bisherigen Zahlen nicht passen würden, weil sie einen Erfolg des Nachtverkehrs belegten. Weil die Fahrgastzahlen aus verschiedenen Gründen stark schwankten, seien Manipulationen leicht zu bewerkstelligen.

Doch der Nachtservice hat in der BVG auch Freunde. In dem sich zur Metropole mausernden Berlin könne man schlecht eine „heile Welt“ erwarten, wird argumentiert. Dem Kosteneinwand wird ein „wesentliches Argument“ entgegengehalten: Mit einem guten Angebot in der Nacht ließe sich das Image der BVG vielleicht derart verbessern, daß sich auch tagsüber mehr Kunden anlocken ließen.

Auch im Rathaus Schöneberg ist man über die Streichungspläne empört. Der Senatszuschuß sei deshalb begrenzt worden, weil man die BVG zu Kürzungen in ihrem aufgeblähten Verwaltungsapparat bewegen wollte. Wenn der Betrieb statt dessen sein Angebot zusammenstreiche, sei das „eine Unverschämtheit“.

hmt