Lloyd-Hotel: Wieder Arbeit für Abrißbagger

■ Asylbewerber und Aussiedler klammheimlich umquartiert / Senat dealte mit Privatinvestor

„Eine Schande.“ Seit Montag nachmittag kommt der junge Mann immer wieder zum Bahnhofsvorplatz, um mitzuverfolgen, wie der Abbruchbagger Stück für Stück aus einem traditionsreichen Bremer Gebäude krazt. Der Abbruch des Lloyd-Hotels ist in vollem Gange - gemäß einer weiteren Bremer Tradition pünktlich zum Ferienbeginn: Offenbar hatten die Abbruchplaner Sorge, daß HausbesetzerInnen im letzten Moment für Verzögerungen sorgen könnten. Am Montag sicherten zahl

reiche Polizisten in Zivil und Uniform das Gelände ab. Erster Arbeitsauftrag für die Abbrucharbeiter: Das Gebäude unbewohnbar machen, Treppen herausbrechen, Fenster einschlagen.

Zuletzt hatte der alt-ehrwürdige Backstein-Bau Aslybewerbern und Aussiedlern Obdach geboten. Auf dem Höhepunkt der Aus-und Übersiedler-Welle hatte das Sozialressort sich Ende letzten Jahres mit dem Eigentümer des Lloyd-Geländes, dem Bremer Investor und Baufirmenchef, Klaus Hornung, geeinigt: Bis zum 31.

September 91 kann das Lloyd-Hotel als Notunterkunft genutzt werden. Vor 10 Tagen wurden die rund 100 Bewohner jetzt vorzeitig und klammheimlich umquartiert. Um dem Abrißbagger Platz zu machen, mußten sie in andere Notunterkünfte überall im ganzen Stadtgebiet umziehen. Der zuständige Referent der Sozialbehörde, Dr. Gelhaar, gestern aauf Nachfrage: „Wir hatten kurzfristig anderweitig Platz gefunden und dadurch Gelegenheit, Miete zu sparen.“

Nach dem Abriß soll der Besit

zer des Grundstücks wechseln. Schon im letzten Jahr hat sich die Stadtgemeinde Bremen verpflichtet, dem Eigentümer Klaus Hornung das Gelände „in abgeräumtem Zustand“ für 4,6 Millionen abzunehmen, zahlbar z.T. in bar, z.T. zu verrechnen mit einem Ersatzgrundstück, das die Stadt direkt neben dem Lloyd-Gelände anbietet. Hier, an der Nordseite will Hornung dann auf 3.900 Quadratmetern eine komplett neue Bahnhofhalle, ein Parkhochhaus, Ladengeschäfte, eventuell ein neues Hotel und Büroetagen hochziehen und an Einzelhändler, Reisebüros, Anwälte und Makler vermieten. Das Riesenprojekt - allein für die Bahnhofshalle veranschlagt Hornung 35 bis 40 Millionen - soll das passende Ambiente zum neuen Kongreßcentrum an der Stadthalle bilden und zahlungskräftiger Kundschaft Gelegenheit zu spätabendlichen Einkaufsbummeln liefern. Bis Ende 1992 will Hornung fertig sein. Entsprechende Bauvoranfragen, berriet Hornung gestern, seien schon positiv beschieden: „Zum Start fehlt uns nur noch die Baugenehmigung“.

Im Gegenzug will die Stadt Hornungs ehemaliges Grundstück rund ums Llloyd-Hotel in einen „öffentlichen Bahnhofsvorplatz“ mit Taxi-Parkplätzen und Autozufahrten verwandeln. Klaus Hornung gestern zum Entgegenkommen des Senats, ihm für ein kahles Gelände 4,6 Millionen anzurechnen, um es dann in einen Parkplatz für seine private

Kundschaft zu verwandeln: „Die Stadt hat natürlich ein großes Interesse an einer attraktiven Neugestaltung der Bahnhofs-Nordseite. Daß die nötige Infrastruktur eine öffentliche Aufgabe ist auch in anderen Städten selbstverständlich.“

Völlig überrascht zeigte sich gestern dagegen der grüne Abgeordnete und Sozialdeputierte Horst Frehe von der plötzlichen Abrißhektik. Die Sozialdeputation sei z.B. zu keinem Zeitpunkt von der geplanten Umquartierung der Asylbewerber informiert worden. Was den Abgeordneten ebenfalls wohlweislich unterschlagen wurde: Eine Abrißgenehmigung mußte Lloyd-Hotel Inhaber Hornung nach der Räumung nicht mehr beantragen. Sie lag bereits seit einem halben Jahr für den Zeitpunkt X in seinem Schreibtisch rechtskräftig von der Baubehörde erteilt.

Von der Entrüstung, die noch beim Abbruch des Senats -Gästehauses spürbar war, ist auf dem Bahnhofsvorplatz dennoch nicht viel zu merken. Zwar beklagt einer, daß da wieder einmal ein Stück Stadtgeschichte kaputtgemacht wird, aber viele reagieren nur mit einem Achselzucken auf die Abbrucharbeiten. „So'n alter Schuppen. Da kommt doch was Schönes Neues hin“, meint einer, und ein anderer ist gutenm Glaubens an die Weitsichtigkeit Bremer Politik: „Durchdacht haben die das bestimmt. Ganz große Dummköpfe werden das ja nicht sein.“

hbk/K.S.