Der lange Weg zum Führerschein

■ Wem der „Lappen“ abgenommen wird, bekommt ihn nicht so einfach zurück / Medizinisch-psychologisches Gutachten ist notwendig und teuer / 4.000 Führerscheinentzüge 1989

Spandau. Der Spandauer Frank T. ist wütend. Schon ein Jahr und neun Monate verwahrt die Führerscheinstelle des Autofahrers Führerschein und will ihn nicht wieder herausrücken. Dabei - wundert sich der 29jährige Familienvater - sei er im September letzten Jahres „nur“ zu einem Jahr Fahrverbot verurteilt worden. Jetzt hat er sich einen Anwalt genommen, um zu seinem Recht zu kommen.

Doch wie so viele, denen der „Lappen“ länger als drei Monate verlustig geht, irrt auch Frank T. Die Fahrerlaubnis bekommt automatisch nämlich keiner zurück. Wer zum Beispiel mit mehr als 1,1 Promille hinterm Lenkrad erwischt wird, kann damit rechnen, zwei Jahre lang auf das geliebte Steuern des Autos verzichten zu müssen - zusätzlich zahlt der Betroffene viel Geld für die Strafe, für ein Gutachten und für die neue Führerscheinprüfung. Umsonst gibt es nur die Strafpunkte in der Flensburger Zentralkartei.

Bevor Frank T. seinen Führerschein abgeben mußte - in einer Novembernacht vor 21 Monaten -, gehörte auch er zu den 2,1 Millionen Berlinern (zwei Drittel West, ein Drittel Ost), denen das Autofahren amtlich erlaubt ist - gehörte, denn Frank T. hatte seiner Leber in dieser Nacht mit Grippetropfen, drei Bieren und Bacardi (zu) gut zu tun gegeben. Als er mit seiner „alten Gurke“, einem verrosteten „Rekord“, nachts in der Weddinger Wollankstraße angehalten wurde, schwappten 1,4 Promille Alkohol in seinen Adern. Traurige Konsequenz: Für den Berufskraftfahrer war erst der Lappen weg und dann auch noch der Job: Frank T. lieferte bis zu der durchzechten Nacht für eine Berliner Hi-Fi- und Videoladenkette Geräte aus.

Seit dieser Novembernacht gehört Frank T. zu den mehreren tausend Berlinern ohne Fahrerlaubnis. Letztes Jahr wurden in der Ex-Mauerstadt wegen Trunkenheit jeden Tag etwa zehn Führerscheine einkassiert, weiß Lutz Rackow von der Führerscheinstelle; weitere 500 wegen zu dichtem Auffahren, Nötigung, Fahrerflucht und Fahren auf der falschen Straßenseite („Geisterfahrer“). 2.000 Autofahrer erhielten außerdem „Fahrverbot“ (nach drei Monaten gibt es den „Grauen“ ohne Umstände zurück). Von fast 7.000 Anträgen auf einen Führerschein wurden knapp 4.000 abgelehnt. Darunter war auch der Antrag von Frank T. Das medizinisch -psychologische Gutachten des TÜVs Spandau kam jedenfalls zu dem Schluß, daß der Begutachtete nicht wieder Autofahren dürfe.

TÜV-Psychiater Andreas R. „hatte mir gesagt, ich bin ein schwerer Fall“, erinnert sich der ehemalige Berufsfahrer. 15 Minuten habe das Gespräch gedauert. „Daß ein Psychiater in dieser kurzen Zeit feststellen kann, ob ich verantwortungsvoll Auto fahren werde oder nicht“, kann sich Frank T. nicht vorstellen. R. behauptet, daß das Gespräch länger gedauert habe. Frank T. habe dabei den Eindruck hinterlassen, das jüngste und auch andere Delikte „nicht verarbeitet“ zu haben. Der Psychiater vermutet, T. werde sich möglicherweise auch erneut betrunken hinters Steuer setzen. Im übrigen, beruhigt der Mann vom TÜV, gelte das Gutachten nur für ein halbes Jahr. Dann könne T. ein neues beantragen. Das allerdings kostet 400 bis 500 Mark.

Wer betrunken beim Autofahren erwischt wird, schätzt Peter Glowalla vom Fahrlehrerverband Berlin e.V. die Lage ein, hätte am ehesten die Chance, seinen Führerschein zurückzubekommen, wenn er den Alkohol gänzlich aus seinem Leben verbannen würde Die Behörden würden mittlerweile davon ausgehen, „wer trinkt, trinkt immer“, so Glowalla. Wer als Alkoholiker aufgefallen ist, würde nicht einmal mehr zur Fahrprüfung zugelassen werden. Letztes Jahr gab es knapp 2.400 „Versagungen“, wie die Beamten der Führerscheinstelle die Nichtzulassungen lapidar bezeichnen.

Sollte Frank T. mit Hilfe seines Anwaltes das TÜV-Gutachten aufheben können oder beim nächsten Gutachten die Erlaubnis zum Autofahren wiederbekommen, dann ist allerdings soviel Zeit vergangen (mehr als zwei Jahre ohne Führerschein), daß er sowieso eine neue Fahrprüfung machen muß. Mindeststundenzahl: 10 mal 45 Minuten praktisch und 12 mal 90 Minuten Theorie. Für diesen Sommer haben sich Frank und Andrea T. zwei Fahrräder gekauft.

Dirk Wildt