Südafrika im unsicheren Umbruch

■ Politologen vergleichen Kap-Verhältnisse mit anderen Übergangsgesellschaften / Auf undemokratische Interims-Herrschaft des „Zentrums“ folge der neue Staat

Aus Johannesburg Hans Brandt

Bombenanschläge und Streiks, Verhandlungen und Repressionen

-Südafrika befindet sich im Umbruch. So viel ist klar. Aber noch weiß niemand so genau, wie die Gesellschaft in zwei Jahren aussehen wird. „Unsicherheit“, sagt Frederick van Zyl Slabbert, liberaler Politiker und Mitbegründer des „Instituts für eine demokratische Alternative für Südafrika“ (Idasa), „ist das Kennzeichen des Übergangsprozesses, in dem sich Südafrika befindet.“ Slabbert und Idasa befassen sich in letzter Zeit mit autokratischen Gesellschaften, in denen ein Machtwechsel stattfindet, ohne daß es zu einem gewaltsamen Umsturz kommt. Ausgangspunkt dabei ist die Arbeit von Phillippe Schmitter, Politikprofessor an der US -amerikanischen Stanford Universität. Schmitter entwickelte seine Theorie des Übergangs von Gesellschaften anhand einer Studie über 29 Länder, darunter Portugal, Polen, Brasilien oder Namibia. Er ist der Meinung, daß ein Umbruch in Ländern, in denen es statt einer Revolution ein von allen Beteiligten unterstütztes Abkommen gab, eher zu einer demokratischen Gesellschaft führt.

Bei einer Idasa-Konferenz in Port Elizabeth Ende Juni betonte Schmitter, daß solche Prozesse zwar durch Druck der Bevölkerung ausgelöst werden - in Südafrika durch die landesweiten Aufstände der achtziger Jahre. Der Übergang selbst sei letztendlich jedoch undemokratisch. Hinter verschlossenen Türen werde ein Pakt zwischen den wichtigsten Organisationen geschlossen, so zum Beispiel das Abkommen zwischen der südafrikanischen Regierung und dem ANC Anfang Mai in Kapstadt. Das führe in der Regel zu von oben angeordneten Reformen des Systems, später zu einer allgemeinen Wahl und dann zur Gründung des neuen Staates.

Im Verlauf dieses Prozesses findet Slabbert zufolge eine Annährung zwischen den Protagonisten statt - die „Konsolidierung des Zentrums“. „Beide Seiten akzeptieren, daß der Staat nicht verschwinden wird.“ Slabbert ist der Meinung, daß es in Südafrika de facto schon jetzt eine Mitverantwortung des ANC in Regierungsgeschäften gibt. Tatsächlich gibt es in vielen Bereichen Kontakte, so bei der Diskussion über die Krise in den Schulen, oder bei dem Versuch, aufständische Jugendliche in den Townships zu kontrollieren.

Die undemokratische Art des Übergangs bedeute allerdings, daß die Beteiligten sich ständig in einer Legitimitätskrise befänden. Sowohl de Klerk als auch der ANC müßten die gemeinsamen Beschlüsse ihren jeweiligen Anhängern schmackhaft machen. Das erkläre, daß Aussagen vor der eigenen Klientel meist aggressiver ausfallen, als aufgrund der sonstigen Zusammenarbeit zu erwarten wäre.

Doch es würden nicht alle Anhänger den Prozeß unterstützen. Als Beispiel nennt Slabbert die Beziehungen zwischen ANC und den Gewerkschaften. „Die Leute im Zentrum können keine unbegrenzten Lohnforderungen zulassen“, meint er. Deshalb werde es früher oder später zu Repressionen kommen. „Die Frage ist nur, ob solche Repressionen als legitim betrachtet werden“, meint Slabbert. Andre du Toit, südafrikanischer Politologe, beschreibt in diesem Zusammenhang die Situation am Kap als „zwischen dem Paktbilden der Führungsgruppen“ und einer „Normalisierung der Politik mit sich organisierenden und konkurrierenden Parteien“ liegend.

Der Mehrheit der schwarzen Bevölkerung, die sich von dem Veränderungsprozeß eine Verbesserung ihrer Lebensumstände erhofft, macht die ganze Theorie allerdings wenig Hoffnung. Schmitter zufolge waren diejenigen Übergangsprozesse erfolgreich, die sich auf politischen, nicht wirtschaftlichen Wandel konzentrierten. „Bestenfalls ist die Umverteilung von Wohlstand dem späteren demokratischen Prozeß überlassen worden. Oder sie wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.“