Wilhelm Nöbel und sein Steckenpferd

■ Der SPD-Obmann im Innenausschuß glaubt unverdrossen, daß die Stasi bei Anschlägen im Westen „mindestens Beihilfe zum Mord“ geleistet habe / Verfassungsschützer: „Keine Erkenntnisse“

Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) - Wilhelm Nöbel kann es nicht lassen. Er sei „sicher“, erklärte der SPD-Obmann im Innenausschuß des Bundestages, daß die Stasi bei RAF-Anschlägen im Bundesgebiet „zumindest Beihilfe zum Mord“ geleistet habe. Eine „total abgeschottete“ Gruppe von 50 Stasi-Mitarbeitern habe nicht nur RAF-Pensionären eine neue Heimat besorgt, sondern auch aktive RAF-Kader logistisch unterstützt und für sie Bekennerschreiben verfaßt, sagte Nöbel der Illustrierten 'Quick‘.

Ziel sei „die sogenannte Destabilisierung des Klassenfeindes“ gewesen, weiß Nöbel, der als einer der Erfinder der These von der Baader-Honecker-Bande gilt. Selbst nach der Wende in der DDR und der Maueröffnung habe sich die Stasi noch in RAF-Aktivitäten eingeschaltet und zuletzt bei dem „nicht zustandegekommenen Anschlag auf Bundeslandwirtschaftsminister Kiechle“ mitgemischt. In der RAF habe es daraufhin „große Verwirrungen gegeben“.

Anfang März hatte sich ein „Kommando Juliane Plambeck“ zunächst zu einem Attentat gegen Kiechle bekannt, das allerdings nie stattfand. Wegen eines „nicht kalkulierbaren Ereignisses“ habe die Aktion abgebrochen werden müssen, hieß es in einer eilig nachgeschobenen Erklärung.

Sechs Wochen später - die angebliche Aktion hatte auch unter RAF-Gefangenen in der Tat für Turbulenzen gesorgt kam das Dementi: Bei dem angeblichen Angriff auf den „Agrar -Wurm“ Kiechle habe es sich um eine „Verfassungsschutz -Kiste“ gehandelt, mit der die Szene verunsichert werden sollte, hieß es in einer weiteren Erklärung der RAF, die in Verfassungsschutzkreisen als authentisch eingeschätzt wurde.

Nöbel versäumt es in dem Interview allerdings erneut, für seine abenteuerlichen Thesen Roß und Reiter zu nennen. Die in der Illustrierten großspurig angekündigten „immer erdrückenderen Beweise“ für „Stasi-organisierte RAF-Morde“ sind dem Gespräch an keiner Stelle zu entnehmen. Stattdessen wirft Hobby-Fahnder Nöbel dem bundesdeutschen Sicherheitsapparat Untätigkeit vor und verlangt „personelle Konsequenzen im Fahndungsbereich“.

Die Staatsschützer konterten gestern mit klaren Worten. Nach wie vor gebe es weder über eine logistische Unterstützung aktiver RAF-Kämpfer noch über die Stasi -Urheberschaft von RAF-Bekennerschreiben „irgendwelche Erkenntnisse“, meinte der Sprecher der Generalbundesanwaltschaft Hans-Jürgen Förster. Fast identisch äußerte sich auch der Hamburger Verfassungsschutz -Chef Christian Lochte. „Interessant“ fände es Lochte, „von Nöbel etwas über den realen Hintergrund seiner Informationen zu erfahren“.

Nöbel selbst wollte sich inhaltlich gegenüber der taz nicht äußern und „meine Informanten nicht preisgeben“. Schließlich handele es sich um einen sensiblen Bereich, und: „Wenn ich als innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion was sage, dann können Sie sich darauf verlassen.“ Sprachs und entschwand sichtlich genervt in den Urlaub.