Salto Musicale oder Jonglieren zu Mozarttönen

■ Die Gruppe Gosh präsentiert „Artistic in Concert“ als witzigen Wettstreit

Normalerweise ist im Zirkus alles schön geordnet: Akrobaten sind vielleicht ratlos, aber sie haben dabei die ganze Zirkuskuppel für sich. Musiker bleiben hinter ihren Pulten und spielen einen Tusch; vielleicht auch mal ein ganzes Stück in den Umbaupausen. Das war einigen Akrobaten, Pantomimen, Tänzern, Jongleuren und Rockmusikern aber zu langweilig, und in Paris hatten sie die Idee, diese traditionellen Darbietungsformen von Zirkus und Variete zu verlassen. In Berlin entstand dann im Januar 1990 die Gruppe Gosh.

Die sieben Artisten und fünf Musiker aus dem Dunstkreis des Kinderzirkus vom Tempodrom wollen mit den Mitteln des Theaters, des Tanzes, der Akrobatik und der Musik szenische Zusammenhänge schaffen, bei denen die Musik nicht nur begleitet, sondern ihren eigenen Stellenwert behält. Die fünf Musiker an Saxophon, Gitarre, Piano, Bass und Schlagzeug singen zu diesem Zwecke nicht nur alle recht viel und laut, sondern sie versuchen auch ganz handgreiflich, sich in den Vordergrund des Bühnengeschehens zu drängen

Gosh ist nun seit einiger Zeit auf Tournee, und tritt vom 24.7. bis zum 12.8. in der Kesselhalle des Schlachthof auf. Vor einer Woche waren sie schon in Hamburg zu bewundern, und dem Kritiker der Hamburger taz haben sie ausnehmend gut gefallen: „Auch wenn die Akrobatik nicht in allen Teilen professionell wirkt, manches geht schon mal schief, beeindruckt doch die Geschwindigkeit der Darbietung, der Synchronismus der Bühnenereignisse: Fast ist man berechtigt, von einer ungeheuer dynamischen Choreographie zu sprechen.“ Und dann schildert er den immer spannenden Wettstreit zwischen musikalischen und darstellenden Künsten, deren Zitierfreude mit Auswüchsen wie Jonglieren zu Mozarttönen und das heftige und recht häufige Grimassieren und Veralbern, das ihn aber offensichtlich nicht weiter zu verdrießen schien.

All das klingt so, als könnten die Liebhaber der Brassband hier durchaus ihr Vergnügen finden. Und wenn es stimmt, daß als Höhepunkt drei Gedichte von Ernst Jandel jonglierend vorgetragen werden, dann könnte dies sogar eine schöne Abendunterhaltung für all die unter uns sein, die des Lesens und Schreibens mächtig sind.

Willy Taub