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Sirene im Bikini

„Deep End“, ein Liebesfilm aus dem Jahr 1970 von Jerzy Skolimowski  ■ 

“...but diamonds are a girl's

best friends.

M.M

Mike (John Moulder-Brown) ist fünfzehn und Bademeisterlehrling. Seine Kollegin heißt Susan (Jane Asher), hat rote Haare und eine typische Siebziger-Jahre -Nase, also stumpf mit dezenter Hebung zum Stupsnasigen. Ganz bald verliebt sich Mike in sie. Inmitten all des Fleisches, mit dem er hinter aufspringenden BHs und verrutschten Bademänteln konfrontiert wird, lockt und verführt Susan den reizüberfluteten Teenager. Mit Systematik zwar, aber eigentlich mehr zum Spaß, um den langweiligen Arbeitsalltag erträglich zu gestalten. „Gib uns 'nen Kuß, hm?“ Abends steigt sie in den schnittigen Wagen ihres Verlobten, der ein bißchen wie Günther Netzer aussieht. Mike versteht Susans Spaß und ihre Freude am uneingelösten Versprechen nicht. Er will dieses Spielchen auch nicht verstehen, denn Susan ist seine erste große Liebe, und deswegen empfindet er ihre Lockrufe als blanken Terrorismus. Das wiederum übersieht Susan, die mit ihren anderen Männern schon genug Ärger am Hals hat, und ihre naiv-gemeine Leichtfertigkeit führt schließlich zu ihrem fatalen/letalen „deep end“ im tiefblauen Pool.

Der Film zeigt Mikes Kampf um die wahre, reine und einzige Liebe. Selbst sein Rennrad opfert er bereitwillig und unerschrocken im Duell mit seinem Rivalen im Auto, der doch nur den Körper seiner Angebeteten begehrt. Mikes ideale Jugendlichkeit, eindrucksvoll vor allem durch viele Nahaufnahmen seiner Knie und Waden ins Bild gebracht, revoltiert gegen die verkommene Geilheit des Alters. Diese tritt in Person eines bärtigen Sportlehrers auf und darf die gelungenste Szene des Films choreographisch dominieren. Der Schauspieler, ein deutschen Fernsehzuschauern durchaus vertrautes Gesicht (Karl-Michael Vogeler), findet sich umringt von einer Schar junger Mädchen in Badeanzügen, die lange vor der Epoche der unvorteilhaft hohen Beindekolletes genäht wurden. Jede einzelne läßt sich mit hellem Kreischen und einem Klaps auf den jugendlichen Po ins Wasser schubsen, und die Kamera folgt dem Treiben betont fröhlich, subjektiv. Auch sonst zeichnet sich der Film durch eine beteiligte, nahe Fotografie und Montage aus. Fahrten, Handkameras, viele Popfarben und Songs von Cat Stevens geben dem Geschehen etwas verhalten Psychedelisches, wie es damals eben modern war. Auch ist die Kopie im Sputnik so authentisch verkratzt wie alle oft gehörten LPs und Singles aus den frühen siebziger Jahren. An all diesen Dingen kann man sich durchaus erfreuen, aber an einigen, allzu breitgetretenen Gags und einer zuweilen etwas hölzern pädagogischen Symbolik bemerkt man dann doch eine leichte Altersschwäche des Films. Intelligent aber trotzdem der Moment, mit dem das tödliche Finale eingeleitet wird: Mike zerschlägt eine Milchflasche und sorgt mit den Scherben für einen doppelten Platten besagten Sportwagens, in dem die einzige mal wieder von ihm wegfahren will. Aus Wut haut Susan ihm eine runter. Es kracht leise, verdächtig im Mund, und Mike glaubt, einen Zahn (!) verloren zu haben. Dem ist aber nicht so, weil Mike ein gesundes, jugendliches Gebiß hat und sich ja außerdem noch mit Susan vor ihrem Tod geschlechtlich vereinigen muß. Zum Akt kommt es, weil statt des Zahns der Diamant aus Susans Verlobungsring gebrochen ist. Und zu diesem funkelnden Stein und seinem verläßlichen Wert empfindet Susan die einzige, wahre und emotionale Beziehung, für die sie alles tut. Wenn's sein muß, sogar mit dem jugendlichen Arbeitskollegen.

Mike rächt in Deep End alle Pannen, Blamagen und Demütigungen, die die erste Liebe in der Regel mit sich bringt. Man kommt gerührt oder leicht verärgert aus dem Kino, und wahrscheinlich hängt dieses Befinden davon ab, wie man sich der entsprechenden Situation in der eigenen Biographie erinnert.

Dorothee Wenner

Täglich um 22 Uhr 30 im Sputnik Südstern.

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