Abtreibungs- tourismus mit Nachspiel

■ Für eine unbestimmte Übergangszeit bleibt der heutigen DDR in Gesamtdeutschland die Fristenregelung erhalten. Frauen aus der BRD machen sich jedoch strafbar, wenn sie in der DDR abtreiben.

Zweierlei Abtreibungsrecht im neuen Deutschland

Eva Rühmkorf freute sich über die Neuigkeit aus dem Justizministerium. Die Übergangsregelung für das unterschiedliche Recht beim Schwangerschaftsabbruch in Ost und West „ist jetzt offenbar beschlossene Sache“, so die SPD -Bundesrats-Ministerin gestern in Bonn. Das Ministerium hatte tags zuvor das „feste Ergebnis“ der Verhandlungen zwischen den Regierungen der DDR und der Bundesrepublik bestätigt: Auf dem Gebiet der jetzigen DDR soll für eine bestimmte Zeit nach der Vereinigung die Fristenlösung gelten, im restlichen Deutschland die Indikationsregelung.

Auf keinen Fall ist die SPD-Politikerin jedoch damit einverstanden, daß Frauen aus dem Westen, wenn sie im Osten eine Abtreibung machen lassen, das Strafrecht droht. Bei den Verhandlungen um den zweiten Staatsvertrag sollen sich die Regierungen bereits darauf geeinigt haben: Nicht das sonst übliche „Recht des Tatorts“ sondern das „Recht des Wohnorts“ werde bei der Verfolgung von Schwangerschaftsabbrüchen gelten.

„Unerträglich“ findet die stellvertretende SPD-Vorsitzende Herta Däubler-Gmelin die Vorstellung, „daß wenn eine Bundesbürgerin, die in die DDR geht und entsprechend dem dort geltenden Recht abtreiben läßt, in der Bundesrepublik dafür bestraft wird“. Auch die SPD-Rechtsexpertin muß sich noch umstellen: „Bundesbürgerinnen“ im heutigen Sinne und „die DDR“ wird es nach der Vereinigung nicht mehr geben. Das Problem der Sozialdemokratinnen ist jetzt, eine Formulierung für den Staatsvertrag zu finden, die den Fortbestand zweierlei Rechts im gemeinsamen Deutschland garantiert und eine Strafverfolgung der Frauen ausschließt. Sozialdemokratin Herta Däubler-Gmelin kündigte gestern an, eine solche Übergangsregelung sei „das Herzstück“ ihrer Forderungen an den deutsch-deutschen Vereinigungsvertrag. Sie wollte sich allerdings nicht darauf festlegen, daß die SPD einen Vertrag ohne diese Klausel im Bundesrat kippen lassen wird.

Ein zweiter wichtiger Punkt im Zusammenhang mit dem Abtreibungsrecht ist immer noch ungeklärt. Zahlt die Krankenkasse, wenn eine Frau aus dem Westen auf dem Gebiet der dann ehemaligen DDR abtreiben läßt oder nicht? Die SPD -Politikerin Herta Däubler-Gmelin läßt sich hier bereits auf eine „Minimalforderung“ ein: Die Kasse muß zahlen, wenn nach den Vorschriften des bundesdeutschen Paragraphen 218 abgetrieben wurde. Dafür, so Herta Däubler-Gmelin, müsse das bestehende Recht nicht verändert werden. „Wünschenswert“ sei natürlich, daß auch Frauen aus der jetzigen Bundesrepublik nach DDR-Recht im Osten durchgeführte Abbrüche bezahlt bekämen.

Bei den Verhandlungen über die notwendigen Grundgesetzänderungen wollen die SPD-Politikerinnen versuchen, die Formulierung „der Staat schützt das werdende Leben durch soziale Hilfen“ durchzusetzen. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse - zwei Drittel der Bundestagsabgeordneten müßten zustimmen - machen sie sich allerdings keine großen Hoffungen.

Das Kalkül der SPD-Frauen sieht anders aus: Sie setzen auf eine lange Übergangsfrist für die Abtreibungsregelungen Herta Däubler-Gmelin: „Eva und ich wollen fünf Jahre“ danach, so hoffen sie, gibt es auch im gesamtdeutschen Parlament eine Mehrheit für die Fristenlösung.

Tina Stadlmayer