Kaufe Schulden - zahle bar

■ Inkasso-Unternehmer sind professionelle Schuldeneintreiber / „Schmerzgrenze bei der Sittenwidrigkeit“ und darüber

Was hat der Deutsche-Inkasso Dienst mit dem Otto-Versand zu tun?

Er gehört ihm. So wie das Hamburger Versandhaus seine eigenen Schuldeintreiber hat, springen auch andere mit ihren teilweise hoch verschuldeten KundInnen um. Wer als Gläubiger keine Geduld mehr hat, läßt eintreiben.

Wie und wann das in Bremen bei den insgesamt 40.000 Mahnverfahren pro Jahr funktioniert, darauf muß qua Amt Landgerichtspräsident Berndt Crome, sein Auge werfen. Zwischen fünf bis zehn „Reklamationen“ flattern in einer Mahnsaison auf seinen Schreibtisch. Darin wird von Rechtsanwälten das rüde Verhalten der Berufseintreiber beklagt. Vor allem die „harten Formulierungen“ sind es, über die der Jurist dann die Nase rümpft: Die Inkasso Unternehmer drohen ihren Schuldnern bei weiteren Zahlungssäumnissen mit Verhaftung und Betrugsanzeigen.

Die Methoden, mit denen die Inkasso-Unternehmen Schulden im Auftrag eines dritten eintreiben, sind nicht selten an der Grenze zur Illegalität, oft auch darüber. Denn das Geschäft ist bei Erfolg einträglich: Die meisten „Fälle“ sichern dem Gläubiger „bei erfolgreichem Geschäftsabschluß“ immerhin noch 50 Prozent der verloren geglaubten Außenstände, die andere Hälfte zieht sich der Inkasso-Unternehmer an Land. Kann ein Schuldner nicht zahlen, bekommen sie keine Erfolgsprovision. Die „Bearbeitungsgebühren“ müssen sie dann von den Schuldnern eintreiben.

Wie funktioniert das? Mindestens drei Mahnschreiben, das Stück zu je 50 Mark oder teurer, hin und wieder auch im prakti

schen Dreierpack ab 120 Mark aufwärts, laufen zunächst an die Adresse des Schuldners. Die Mahngebühren richten sich auch nach der Streitschuld: Wer sein „erhöhtes Beförderungsentgeld“ bei der Straßenbahn nicht bezahlt hat, kommt billiger weg als bei einer versäumten Autorate. Eine Gebührenordnung existiert nicht. Ulf Giebel, Bremer Inkasso -Kaufmann mit 110 Angestellten: „Die Schmerzgrenze liegt bei der Sittenwidrigkeit.“

Die Anschreiben werden sorgfältig nach psychologischen Kriterien aufgesetzt. „Die Anrede ändert sich nicht, und meistens schreiben wir auch ... Mit freundlichen Grüßen“, erzählt ein Inkasso-Mann, der lieber ungenannt bleiben möchte. „Da plaudert niemand gerne, welche Methoden er da hat.“

Kann ein Schuldner nicht zahlen, wird per Zivilrecht ein Vollstreckungsbescheid oder eine eidesstattliche Versicherung erwirkt. Erst dann kann ein Inkasso-Büro wieder einen Gläubiger vertreten, aber: „Dann bleiben wir lange Jahre am Ball“, erklärt ein

Insider. Wer nämlich einmal „vor Gericht die Hosen 'runtergelassen hat“, im Rechtsdeutsch: einen Titel hat, der ist auf dreißig Jahre seinen Gläubigern ausgeliefert.

Binnen dieses Zeitraumes können die Inkasso-Unternehmen jeden Schuldner vor den Kadi ziehen, um eine Eidesstattliche Versicherung der Zahlungsunfähigkeit zu bekommen. Der Trick dabei: Bei dieser Erklärung muß der Schuldner auch mögliche Arbeitsverhältnisse angeben und die Inkasso-Unternehmer könnten dann beim Arbeitgeber sofort den Lohn pfänden. Registriert sind die Schuldner alle im Gerichtsverzeichnis, in das jeder Einblick hat, „der ein berechtigtes Interesse“ nachweisen kann. Binnen der dreißig Jahre können die Inkasso -Unternehmer als Rechtsinhaber der Schulden auch jederzeit einen Gerichtsvollzieher beauftragen, der dann dem Schuldner auf die Bude rücken muß, zu dessen Lasten, versteht sich.

„Da gibt es Unternehmen, die werben damit, daß sie ehemalige Kampfschwimmer als Mitarbeiter haben“, berichtet ein Bran

chenkenner über die Grauzone unter dem Inkasso-Mantel. Tatsächlich ist der „Hausbesuch“, bei dem „Außendienstmitarbeiter“ einmal ganz persönlich „anklopfen“, eine Standardvariante der Kundenbetreuung. Ebenfalls dazu gehört der telefonische Kontakt, den die Inkasso-Unternehmen mit ihren Gläubigern „selbstverständlich zu zivilisierten Zeiten“ (Giebel) pflegen.

Mit den kleinen Fischen ist kein großes Geld zu machen. Zwar kommt es vor, daß eine Schwarzfahrt beim Inkasso -Unternehmer acht bis neunmal so teuer wird wie der offizielle Schwarzfahrkurs, doch „gibt es tatsächlich einige Idioten, die zahlen gleich beim ersten Mal“, beschwert sich ein Unternehmer. Wesentlich günstiger liegen da schon die Erfolgsaussichten,

wenn ein Inkasso-Unternehmen eine komplette Schuld kauft. Das passiert allerdings nur, wenn „die Sache ganz dicht ist“, d.h.: wenn eine komplette Abzahlung zu erwarten ist. In diesem Fall kaufen die Unternehmer die Gesamtschuld zu Kursen zwischen zwei und zehn Prozent und übernehmen damit natürlich auch sämtliche Rechte am Schuldner. Markus Daschne