Versteuerte Propellerkunst

■ Moritz Götze in der Galerie Weißer Elefant, Ost-Berlin

Daß eine alte Jacke auch anders angezogen werden kann, beweist der 1964 geborene Hallenser Künstler Moritz Götze, indem er spielerisch die Pop-art, die Chargen der 50er und 60er Jahre umstülpt und so verfährt, als ob die 80er und erst recht die 90er Jahre eigentlich schon immer ihr Unwesen trieben. Man hat noch viel vor sich. Sweet Home also doch kein Revival?

Sweet Home ist auch ein richtiger Barbetrieb, umgeben von Sitzmöbeln, einer Jukebox, echt Ami, exotischen, geschichtsträchtigen Sammelutensilien hinter Schrankglas und Graphik unter Glas, Öl- und Acrylbildern. Das alles - Inhalt einer mitgebrachten Hängerladung - bildet ein anziehendes Empfangskomitee. Im Nebengelaß der Galerie wird zu Ehren des Frauenmarders James Bond die Mappe Goldfinger, versehen mit einem Text von dem geliebten Baader (Matthias Holst 1962 -1990), vorgestellt. Delikat wirkt die vergoldete per Siebdruck hergestellte Goldfinger-Tapete. Erinnerungen an intime Kabinette feudaler Landesherren werden wach. Es lebe der Hofkünstler von morgen!

Moritz Götze erfüllt sich einen langgehegten Kindheitswunsch. Einmal Museumsdirektor spielen, sich in den Sessel lehnen und dabei die eigenen Schätze bewundern. So läßt er auch nichts aus. Mit dem Mobiliar aus seinem Atelier schafft er sich eine erbauliche Ruhestätte, beschwört in gemütlicher Runde Hausgeister, die natürlich nicht jeder zu Gesicht bekommt, konfrontiert ortsgebundene Sammlerleidenschaft mit der Schnelligkeit der auf Dauer reizermüdenden Farben der leuchtenden Bilder. Die schablonenhaft scharf sich abgrenzenden Bildteile sind von einer verspielten, mitunter byzantinisch angelegten Ornamentik umgeben. Stumme Statisten der Kulturgeschichte, vergrößerte Maschinenteile, in die Bildflächen einmontiert, vergraben sich in das Geheimnis ihrer Fabrikation. Das etwas überzogene, aber nie alt werdende Jetztzeit-Styling, von einer comichaften Bildsprache hervorgerufen, schreckt den tröstlichen Gedanken an eine ideale Vergangenheit auf.

Eines seiner Hauptinteressen gilt den Berufen, die im Aussterben begriffen sind. Da gleiten in Kunstschutzgebieten Seemänner, Flugzeugpiloten oder Maschinisten, die noch mit dem Zeitgefühl vorindustrieller Lebensweisen vermählt sind, auf einer Bühne am Betrachter vorbei. Alles scheint einem romantischen Blick verpflichtet, der um eine alte Zeit trauert und bedauert, daß es keine unerfüllbaren Wünsche mehr gibt, da selbst der schöne Traum vom Fliegen massenhaft in Erfüllung gegangen ist. Übrig bleibt der Kosmos, die Erde ist zu klein. So kann das süße Heim nur noch Sanatorium, ein Parkplatz sein, wo auf die endgültige Vertreibung aus den kleinen irdischen Paradiesen gewartet wird.

Das Kunst-Wohnen von Moritz Götze ist beinah eine lammfromme, heilsame Seelenerhebung, die den Alltag zum Ereignis macht. Aus Nichtigkeiten werden Wichtigkeiten. Der Rückfall in eine bilderhafte, erzählerische Geschichtsforschung ist doch ein Vorfall. Zumal der instinktive Zufallsdiener Götze Freude am Spiel der Bewegung besitzt. Voraus- und zurückweisend signalisiert er, daß mechanische Maschinen und Automaten, voraussichtlich bald abgelöst von einer Black-box-Maschinengeneration, wieder einen größeren Unterhaltungswert bekommen werden.

Für Moritz Götze ist die Entdeckung des Wunderbaren nicht jene kunstfertig ausgemalte Offenbarung, die an Dilettantalusqualen leidet, sondern der Plan zum Schatz entpuppt sich überraschenderweise selbst als Schatz.

Heinz Havemeister

Die Ausstellung ist bis zum 18. August Di. bis Fr. von 11 bis 19 Uhr und Sa. von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Galerie Weißer Elefant, Almstadtstraße 11, Berlin 1020. Katalog

10 DM.