Ost-Gurken im KaDeWe

■ Hertie-Luxuskaufhaus leistet DDR-Entwicklungshilfe

West-Berlin. Sybille Reider, die großen Wert darauf legt, Minister und nicht -in für Handel und Touristik der DDR zu sein, ließ gestern auch den Praktiker in sich sprechen. „Das muß ich als Hausfrau mal ganz kritisch sagen. Gemüse, das unter freiem Himmel gewachsen ist, schmeckt besser als Glashausware aus Holland.“ Anlaß für die nicht gerade EG -freundlichen Grußworte war eine Verkaufsaktion von Produkten der darniederliegenden DDR-Landwirtschaft im KaDeWe, dem Kaufhaus mit der größten Lebensmittelabteilung Deutschlands und zweitgrößten Europas. Eine Faust wäscht das kleine Händchen.

Die gemeinsame PR-Aktion von Noch-Minister und Hertie -Konzern („Frau Reider ist an uns herangetreten“), wurde möglich, weil vor den Toren der Stadt Kirschen vermodern und sich halbe Schweine in Kühlhallen stapeln: Folge der Knebelverträge in der DDR tätiger Westhandelsketten und der zusammenbrechenden Infrastruktur. Nun kommt die gutgespritzte Ware aus „unseren traditionellen Liefergebieten schon vor dem Zweiten Weltkrieg“ (Hertie) direkt vom KaDeWe-Laster auf extra errichtete Marktstände in die Parkhausschaufenster: Obst und Gemüse aus Werder, Frischfisch von der Mecklenburger Seenplatte, Eier aus der Mark Brandenburg, Fleisch und Wurst aus Ost-Berlin und Wein aus dem Elbsandsteingebirge (Wendejahrgang 1989). Das Auftragsvolumen für die ersten drei Wochen beträgt rund eine halbe Million Mark. Die EVPs (Einzelhandelsverkaufspreise) liegen weit unter dem BRD-Normalniveau: zehn Eier für 1,98 statt für zwei bis drei D-Mark und die Salatgurke für 98 Pfennig statt 1,80 D-Mark für das EG-Modell.

Damit weitere Kaufhausketten nachziehen, wurde ausgiebig gelobt. „Das KaDeWe ist das Flaggschiff mit Signalfunktion“ (Minister Reider), „Spitzenware, ganz frisch“ (Hertie -Vorstand Schirrmacher). Doch eine echte „Pilotaktion“ war es nicht. Hatte die Westberliner Alternative Liste doch bereits vor einer Woche für DDR-Kirschenverkauf in den Stadtteilen gesorgt.

kotte