Am Beitritt scheiden sich die Geister

■ Die Volkskammer debattierte den Antrag der Liberalen / Streit um Wahlrecht und Wahlgebiet im Mittelpunkt / Das Präsidium wollte den Antrag ohne Aussprache an die Ausschüsse überweisen

Aus Berlin Beate Seel

Das ging den Abgeordneten der Volkskammer nun doch zu weit: Als nach einem Eklat am Vormittag um Geschäftsordnungsfragen der Antrag der Liberalen auf Beitritt der DDR zur BRD mit Wirkung zum 1.Dezember in erster Lesung endlich auf der Tagesordnung stand, wollte das Präsidium ihn ohne Aussprache direkt in die entsprechenden Ausschüsse überweisen. Ein GO -Antrag der PDS, der von der Fraktion Bündnis 90/Grüne und der SPD unterstützt wurde, machte diesem Ansinnen ein Strich durch die Rechnung.

Die Fronten in der Debatte, bei der es vordergründig zwar um den Zeitpunkt des Beitritt nach Artikel 23 des Grundgesetzes, in der Substanz aber um die Frage eines einheitlichen oder getrennten Wahlgebiets geht, waren weiter verhärtet. Während die Liberalen und die Sozialdemokraten für ein einheitliches Wahlrecht eintreten, lehnen Ministerpräsident de Maiziere und die meisten seiner Fraktionsfreunde dies ab.

Der Fraktionsvorsitzende der Liberalen, Rainer Ortleb, begründete den Antrag der Liberalen damit, die Bürger benötigten angesichts der desolaten Lage im Land Klarheit über den Beitrittstermin. Die Liberalen hätten aber kein Interesse, aus Profilierungsbedarf die Koalition zu sprengen. Zuvor hatten die Liberalen mehrmals mit dem Bruch der Koalition gedroht, die allerdings auch in diesem Falle noch über eine satte Mehrheit verfügen würde. Demgegenüber betonte de Maiziere, mit dem Tag des Beitritts gelte das Grundgesetz mit all seinen Regelungen. Der Handlungsspielraum der Regierung würde eingeschränkt. Rücktrittsspekulationen wies er zurück.

Der Ministerpräsident erhielt Schützenhilfe von der PDS, was die Abgeordneten der SPD promt mit dem Zwischenruf „Nationale Front“ quittierten, um an das Zusammengehen der ehemaligen Blockparteien zu erinnern. Als erster Redner befürwortete der SPD-Fraktionsvorsitzende Richard Schröder den von der Liberalen geforderten Beitrittstermin. Er bestand auf einer Entscheidung noch in diesem Monat. Bertram Wieczorek von der CDU, der für die „unbedingte Einhaltung des Fahrplanes zur deutschen Einheit“ eintrat, wiederholte das sattsam bekannte Argument, bei den gesamtdeutschen Wahlen müßte auch den Kräften des Herbstes eine Chance gegeben werden. Unter dem Beifall bezeichnete er die Diskussion um den Beitritt als als wahltaktisches Manöver, das natürlich alle Parteien betreffe. Er sprach sich dafür aus, den Antrag in den Ausschuß für deutsche Einheit zu überweisen, wies aber zugleich darauf hin, daß dort bereits der Antrag der DSU vom 17.Juni auf sofortigen Beitritt liegt. Er forderte die Mitglieder auf, auf der morgigen Sitzung der Volkskammer über den Stand der Dinge zu berichten.