Rudern und ludern

■ Unter den Brücken des Bürgerparks: Ruderboote

Wo es schön ist, ist's oft von vorgestern. Die Verkehrsmittel zum Beispiel dienen, wenn's schön ist, dem Vorwärtskommen der Langsamkeit, dem körperlichen Wohlgefühl, dem Genuß des Windes. Hier an dieser Stelle z.B. wandelt man rechts zu Fuß, daneben auf dem lockeren Sandweg zu Pferd und rechts wandelt man zu Wasser, mittels Kahn. Dazu stemmt man die Füße gegen die Ruderbank, rührt möglichst gleichtaktig in den Holmen und gleitet dennoch zickzackernd zwischen überhängenden Eichen und Weiden, durch Entenschwärme und unter Brücken durch, vorbei an gleichgesinnten Langsamwasserwandlern und -dümplern.

Grad ärgert sich der Junge in dem Vierer darüber, daß mein landbegleitendes Fahrrad schneller ist als ihr Ruderboot, aber die meisten Ruderer auf der Rundwasserstraße im Bürgerpark rudern nicht direkt der Geschwindigkeit wegen. Die beiden Boote da drüben RRR, Scheiße! Nein! Aua, Kicher spielen z.B. den großen Enterkampf. Was natürlich streng verboten ist, wie „Hund an Bord“ oder „Naßgespritzt“ mit 10 Mark Buße geahndet wird. Es soll sogar welche geben, die ihr

Boot verschwiegen an Land ziehen und dabei die Holzplanken verbiegen. Die Reparaturen an den Kähnen aus Norwegen, sagt der Bootsjunge, als er ein rückkommendes Boot am Steg hinter'm Emmacafe festringt, die Reparaturen, die sie im Winter selber erledigen, sind ein Problem. Weil die Leute so rumholzen. Nein, Tretboote gibt's nicht, sind verboten, weil deren hohe Rollwellen die Ufer ramponieren. Unter wieviel Brücken man durchrudert? Durch neun. Und einmalig sei, glaubt er, so eine Wasserstraße, sonst schippere man überall auf einem See rum.

Gegenüber rudert ein türkischer Familienvater Frau und zwei Kleinkinder energisch gegen die Uferböschung. Immer wieder. Die Drehtechnik muß jeder neu erfinden. Und die drei da drüben treiben beharrlich rechts vor statt durch durch die Wiegandbrücke, erbaut 1908. (War bestimmt so'n Lloydchef). Rudern ist nicht nur archaisch, sondern muß auch bißchen gekonnt sein. Weshalb es sich - mit wenigen Ausnahmen - die Männer zutrauen. Die rudern ihre Damen, Familien, manchmal andere Männer. Frauen rudern, wenn überhaupt, meist Kinder, eine sitzt aber auch im Partnerstreß mit Männe auf einer Bank.

Dabei bietet die Ruderbank in den torfkahnähnlichen Booten wenig Chancen zu männlichen Imponiergesten. In einer Gondel steht mann düster-lässig-romantisch wie der Fährmann über den Acheron, selbst die Stocherkähne Tübingens, ebenfalls stehend betrieben, haben noch was davon. Unter uns Torfköppen muß das beschauliche Holmenrühren im Sitzen und unter neuen Brücken eben reichen.

Uta Stolle