Von Perlen, Eulen und Schwalben

■ 13. Kultursommer in Oldenburg: Augenohrschmaus nicht nur für MoinMoiners

Oldenburger Kultursommer - ein Sommerersatz oder ein Strohfeuer im kulturellen Brachland? Vom 14. Juli bis zum 5. August geht die kommunale Abteilung fürs Geistige in Oldenburg aufs Neue gegen die hartnäckigen Gerüchte an, die „glücklichste und unternehmerfreundlichste Großstadt Deutschlands“ (eine Stadt über sich selbst) biete weder einen anständigen Sommer noch eine anständige Kultur - von einer unanständigen sei hier zu schweigen.

Nach acht Tagen aber ist zu vermelden, daß schon tausende MoinMoiners den regenfreien Raum jenseits ihrer überdachten Vorgärten wahrgenommen haben und ihre kulturell veredelten Steuergelder auf städtischen Plätzen genüßlich veraugenohrschmausten - und das mit Recht und ohne Eintritt.

Kultursommer mit hohem Wiedererkennungswert? Die lebende Jazzlegende Art Blakey trommelte zur Eröffnung des 13. Sommers längst aus den Augen verlorene „Na?„-„Und selber?„ -Bekanntschaften zusammen; auf dem zur Abwechslung sonnenüberfluteten Oldenburger Schloßplatz. Tags drauf, bei spritzig-witziger und hochklassig-folk

klassischer Akustik der niederländischen Gruppe Flairck, blieb der Bierstand seltsamer- und streckenweise ganz allein. Und am Mittwoch hämmerte Bill Bruford - „Ach, der von King Crimson?“ - den Oldies moderne Jazzrockrhythmen ein, im Wechsel mit herrlich coolen Schmelzklängen des Saxophonisten Ian Bellamy.

Und auch das Revuetheater Shy Guys powerte aufopferungsvoll die Comedy-Culture ins weite Rund des dichtbestandenen „Whatever“, das die anglophil vom Leder ziehende Patricia Morisco und ihre vier Mitstreiter zu begeistern verstanden. Sie persiflierten die Guckkastenatmosphäre unter freiem Himmel gleich mit in der letzten Nummer, Punkband „Ultrafurz“: lederhäßlicher Chefpunk im Interview mit glitzerschönem Showmaster: „Eigentlich bin ich ja Lehrer an der Waldorfschule in Oldenburg und grüße die Klasse 10c huhuh!“

Warum also exotische Eulen nach Athen tragen? Auch ein Schwab macht schon einen Kultursommer. Am Freitag galt es, nach reichlichen Dröhnungen von ferner Bühne, sich einzulassen auf den Frankfurter Hans Schwab und dessen Mysterien

spiele nach Geschichten von Dario Fo. Hunderte lauschten, blickten und mienenspielten mit, was der Gaukler im heimeligen Pflaster-Bäume-Kirchenmauer-Ambiente an mittelalterlichen Frechheiten und Grotesken im Rollenmarathon vor alle Augen phanatasierte - ein ganzer Marktplatz voll nahm wahr, was an Erzählkultur einst Alltag gewesen sein mochte.

Und es gibt noch einiges zu entdecken in Oldenburgs Kultur. So noch bis 5. August die Fotoinstallation „Der gewohnte Gang“ von Angela Kolter und Herve Maillet, eine feinnervige sommerliche Kunst in der kaufwütigen Innenstadt, die einer Erklärung und Vermarktung als Konsumkritik dankenswerterweise zu entgehen sucht. Sie installiert sich vielmehr im gewohnten Gang, stellt sich in den Konsumraum und macht irritierend auf Stadtkultur aufmerksam, Perlen mitten im Oldenburger Brüll zwischen Horten und Holsten.

Und wahrzunehmen gibt es allein diese Woche noch Rhythm and Blues aus Berlin (Mittwoch), politisches Solokabarett (Donnerstag), Stephan Singers archaisches Maskentheater „Senga Kamor“ (Freitag) und Operettenpa

rodistisches aus Frankreich (Samstag). Zum Abschluß des zweiten Drittels des Kultursommers gibt es am Sonntag „Ugly Culture“ aus Köln mit Neuer Musik im Schloßgarten und abends Chicagos „hottest Lady“, die Bluessängerin Angela Brown.

Doch wenn diese Sommerschwalben auch alle in der renovierungsbefürftigen Gerüchteküche ihr unverdientes Ende finden sollten - der Herbst war in Oldenburg schon immer keine schlechte Jahreszeit, auch kulturell. Jörg Maye