Der V-Mann als Sicherheitsfall

■ Angeblich wollten zwei Berliner geheime VS-Akten an die Roten Brigaden schmuggeln

Springers 'Morgenpost‘ publizierte gestern eine Ente erster Güte. Zwei Berliner, die dem RAF-Umfeld zuzurechnen seien, hätten versucht, geheime Unterlagen des Berliner Verfassungsschutzes nach Italien zu schmuggeln. Beide Übeltäter wären auf dem Weg zu den berüchtigten „Roten Brigaden“ (BR) gewesen. Und die Akten, die an der österreichisch-italienischen Grenze bei beiden sichergestellt wurden, hätten sich insbesondere mit dem V -Mann Volker Weingraber befaßt, der sich - wegen seiner Verstrickungen in den Mordfall Schmücker - unter falschem Namen in der Toskana auf's Altenteil zurückgezogen haben soll. Der sei nun - so will es die 'Morgenpost‘ aus sicherer Quelle erfahren haben - möglicherweise akut gefährdet.

Wahr ist an der Meldung, daß sich zwei Berliner aus dem Umfeld des Kreuzberger Mehringhofes Mitte Juni auf den Weg nach Italien gemacht hatten, von italienischen Zöllnern angehalten und durchsucht wurden. Die bei ihnen sichergestellten geheimen Unterlagen sind indes allesamt öffentlich zugängliche Materialen aus den verschiedenen Ausschüssen, die die unsäglichen Skandale des Berliner Landesamtes unter die Lupe genommen haben. Dazu kommen handschriftliche Aufzeichnungen, Zeitungsausschnitte, Bücher und ein Bericht des niedersächsischen Landtages zur Affäre „Celler Loch“. Die beiden Männer hatten zudem einen Auftrag des Senders 'Radio 100‘ in der Tasche, mögliche Querverbindungen des früheren VS-Mannes zu den Roten Brigaden zu recherchieren. Beide waren auch bei der Vernehmung des V-Mannes im Mai des Jahres in Essen unter Hochsicherheitsbedingungen dabei. Dort war zur Gefährdungslage Weingrabers zu erfahren, daß er regelmäßig Kontakte zur Berliner Szene unterhalten hatte.

Daß die 'Morgenpost‘ eine derartige Räuberpistole unter die Leser streut, mag ihren Grund darin haben, daß Klaus Wienhold, sicherheitspolitischer Sprecher der CDU, Innensenator Pätzold (SPD) im selben Artikel nun vorwerfen darf, Weingrabers Identität „öffentlich preisgegeben“ zuhaben.

Wolfgang Gast