Droht ein neuer Nationalismus in Bulgarien?

■ Interview mit Antonina Zeljazkova, Mitbegründerin des „Komitees für nationale Versöhnung“

INTERVIEW

taz: Gibt es in Bulgarien eine neue nationalistische Welle?

Antonina Zeljazkova: Zunächst ist es wichtig festzustellen, daß es keinerlei Konflikte zwischen der bulgarischen und der türkischen Bevölkerung bis zum Jahre 1984 gegeben hat. Dem wurde leider 1984 ein Ende gesezt, als mit Gewalt, mit Opfern, mit Armee die Namen der Türken geändert wurden.

Das Schmutzigste, was die Machthaber damals taten, war, die bulgarischen Bürger in ihre Unterdrückungsmaßnahmen miteinzubeziehen. Sie haben die Leute in Patrouillen organisiert und die waren gezwungen, ihre türkischen Mitbürger zu bespitzeln. Für das Sprechen der türkischen Sprache gab es Geldstrafen; dort, wo man im Haus türkische Musik hörte, wurden Musikgeräte konfisziert; es war verboten, traditionelle türkische Kleidung zu tragen. Man kann sagen, daß die bulgarische Bevölkerung miteinbezogen wurde, um die türkischen Traditionen zu vernichten. Dies führte dazu, daß die Türken sich enger zusammengeschlossen haben. Sie haben die Pflege des Türkentums gefördert, was wiederum die Türken von ihren bulgarischen Mitbürgern getrennt hat.

Der Bewegung „Für Rechte und Freiheiten“ des Türken Ahmed Dugan wird von vielen Seiten Nationalismus vorgeworfen. Es wird gesagt die Bewegung sei ungesetzlich.

Der Standpunkt unseres Komitees ist, daß die Existenz der Bewegung „Für Rechte und Freiheiten“ völlig dem Gesetz entspricht. Die Bewegung Ahmed Dugans hat 3.000 bulgarische Mitglieder (von insgesamt 160.000) und von ihren 23 Abgeordneten sind vier Bulgaren und zwei Pomaken. Doch zum Teil ist der Nationalismusvorwurf berechtigt. Ahmed Dugans sagte auf einer Pressekonferenz, daß der Weg Bulgariens nach Europa über den Bosporus führe und mit Orientteppichen belegt sei.

Diese Äußerung erzeugte Unbehagen bei allen Bulgaren. Selbst Sympathisanten unseres Komitees wurden dadurch gegen die türkische Minderheit aufgebracht. Es gibt zwar keine offenen und klaren seperatistischen Forderungen Dugans. Aber während des Wahlkampfes haben wir beobachtet, daß solche Forderungen erhoben wurden. Sie wollen de-facto Autonmomie für die hauptsächlich von den Türken bewohnten Gebiete.

Doch unser Komitee möchte nicht einen direkten Nationalismusvorwurf erheben. Vor allem nicht gegenüber den Kandidaten, die durch ihren persönlichen Einsatz ins Parlament gekommen sind. Wir vertreten den Standpunkt, daß es positive Seiten hat, wenn diese Leute nun im Parlament sind. Sie sind jetzt Volksvertreter für das gesamte bulgarische Volk und müssen Verantwortung für die türkische und die bulgarische Bevölkerung übernehmen.

Die demokratische Opposition tut sich schwer, die türkische Bewegung zu unterstützen.

In der „Union Demokratischer Kräfte“ sind eben die gleichen Bulgaren vertreten, wie sie überall im Lande sind. Ich weiß nicht, ob das der westliche Leser verstehen wird, aber es gibt einfach Äußerungen, die bei den Bulgaren Ängste wecken. Und das weiß Achmed Dugan sehr gut. Und deswegen hätte er solche Äußerungen, wie er sie auf der Pressekonferenz machte, vermeiden müssen.

Welche Chancen geben sie der Bewegung Achmed Dugans, ihre Forderungen nach nationalen Rechten, wie zum Beispiel türkischsprachigen Unterricht, durchzusetzen?

Ich finde, der Grundfehler der türkischen Minderheit war, daß sie nicht versucht haben, ihre Forderungen bei den existierenden Parteien durchzusetzen. Trotzdem bin ich überzeugt davon, daß sie es schaffen werden, ihre Rechte im Parlament durchzusetzen. Und zwar deshalb, weil es jetzt unter den Abgeordneten viele gibt, die schon seit eh und je die Rechte der türkischen Minderheit verteidigt haben. Also dafür würde ich meinen Kopf einsetzen. Dazu kommt, daß die Führung der Bewegung „Für Rechte und Freiheiten“ unter den Türken selbst nicht unumstritten ist. Es wäre der vernünftigste Schritt der Bewegung, sich von Ahmed Dugan zu trennen, damit sich die Entwicklung normalisiert.

Interview: Gretel Ruschmann