Töpfer: Verpackungspolitik „im Schweinsgalopp“

■ Lobbyisten aller Arten sauer auf neue Müllverordnung / Dem Handel geht's zu weit, Umweltschützern nicht weit genug

Der Müllnotstand ist ausgerufen: 32 Millionen Tonnen Haus und Gewerbemüll produzieren die BundesbürgerInnen jährlich. Die Hälfte davon ist Verpackungsabfall. 1989 wanderten so 33 Milliarden Mark in die Mülltonne der Nation. Das Fassungsvermögen

der Deponien reicht noch höchstens fünf Jahre. Dann ist Schluß.

Auch die BremerInnen sind nicht unschuldig. 162 000 Tonnen Haushaltsabfälle warfen sie 1988 weg. Allein ein Drittel davon waren Getränkeverpackungen. Und alle sind sich einig:

Mehr Umweltschutz, weniger Müll.

Aber Bonns Pläne finden in Bremen wenig FreundInnen. Wenige Wochen nachdem Töpfers „Verordnung zur Vermeidung von Verpackungsabfällen“ (VerpackVO) bekannt geworden war, läuft die Lobbyisten jedweder Art Sturm gegen das Umweltministerium.

„Eine große Sauerei ist das.“ Wolfgang Brakhane, Geschäftsführer des Einzelverbandes Bremen kocht vor Wut: „Der will die Verordnung im Schweinsgalopp unter dem Wiedervereinigungstaummel durchdrücken.“ Brakhane vermutet einen geschickten Schachzug, ein Feuerwerk vor der Wahl am 2.Dezember: „Da es eine Verordnung ist, braucht sie nur durch den Bundesrat.“ Vorwurf des Handels: Die Verordnung sei absolut unsinnig, unpraktikabel und undurchführbar.

Der Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes sieht riesige Probleme auf die Händler zukommen: „Da kann ja jeder kommen und seine halbvolle Sardinenbüchse dem Händler auf den Tisch knallen,“ und der muß die nehmen. „Im Laden wird das dann anfangen zu schimmeln und zu faulen, bis die Räume bakteriologisch kollabieren.“ Und: „Die Händler können sich nicht wehren, und so ein Aldi lacht doch darüber. Die prügeln ihre Lieferanten, bis die den Müll umsonst abholen.“

Auch im Bremer Recyclinghof Nord kann sich niemand mit Töpfers Plänen anfreunden. Obwohl auf die Recyclingstellen mit der Verordnung mehr Arbeit zukommen würde, schwört man hier auf Abfallvermeidung, statt auf Wiederverwertung. Projektleiter Anton Müller: „Die Pläne sind vollkommen unvollständig, die Pro

blematik wird damit auf die Bürger abgewälzt.“ Anton Müller sieht ebenfalls keine Einschränkung der Verpackungsflut, „über höhere Produktionspreise muß der Käufer auf verstecktem Weg nur mehr zahlen“. Besser wäre es, die HerstellerInnen zu weniger Verpackung zu zwingen.

Sturm gegen die Töpfer-Verordnung laufen auch diejenigen, die mit Verpackungen bislang ihr ausgezeichnetes Geschäft gemacht haben. Der Fachverband Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel attestiert Töpfer einen bisher nie dagewesenen Eingriff in die Lebensmittelversorgung. Dieser wohl kleinste Verband der Republik (vier Fir

men) vertritt 100 Prozent des deutschen Marktes und rund 90 Prozent des Weltmarktes. Der Pressereferent Michael Kleene beeilt sich mit der Feststellung, daß Getränkeverpackungen nicht der einzige Müll ist, der auf bundesdeutschen Deponien anfällt. Michael Kleene: „Wir bringen eine klare Absage an den Zwangspfand von Getränkeverpackungen“.

Auch die Bremer Angestelltenkammer beschäftigt sich seit geraumer Zeit intensiv mit der Verpackungssproblematik. Einen Pfand auf Getränkeverpackungen will sie zwar auch nicht, weil sie das Vermischen der Grenze zwischen Ein- und Mehrwegsyste

men im Kopf der Verbrauche rInnen fürchtet. Das würde den ohnehin wachsenden Einwegbereich stabilisieren. Für die Angestelltenkammer bringt die Töpfer-Verordnung keine Müllvermeidung. Ihre Alternative: Ökosteuern. Einnahmen aus einer Getränkeverpackungssteuer könnten dann zweckgebunden für Vorhaben im Umweltbereich verwendet werden. Mit der zweiten Mülltonne, mit der Töpfer die Müllabfuhr teilprivatisieren will, gingen Kontrollmöglichkeiten verloren. Folge: Wilde und private Deponien würden entstehen und Müll würde exportiert und privat verfeuert werden.

Thomas Heuzeroth