Anlaß Fußball nebensächlich

■ betr.: Leserbriefe "Johlende Kulisse für Faschisten", taz vom 17.7.90

Leserbriefe „Johlende Kulisse für Faschisten“, taz vom 17.7.90

Als Gelegenheits-taz-Leser stachen mir die Leserbriefe am 17.7. zu den „Feierlichkeiten“ des Gewinns der Fußballweltmeisterschaft regelrecht ins Auge.

Selbst habe ich die WM relativ emotionslos verfolgt, da ich treuester Fan meines Vereins bin und mein Engagement auch ausschließlich auf ihn beschränke. So habe ich den ganzen Troubel eigentlich nur beobachtet und habe dabei recht interessante Erfahrungen gesammelt. Hier in Frankfurt trafen sich nach dem Endspielsieg an die 20.000 Menschen zur Siegesfeier, wovon in die Kategorie „Fußballfans“ höchstens 1.000 fielen. Diese kleine Gruppe feierte genauso, wie sie es nach Bundesligaspielen gewohnt waren. Überschäumend, aber nicht überbewertend. Sie kannten von vielen anderen selbsterlebten Spielen die Regeln und die Rituale.

Der große Rest war es, der begann, aus dem kümmerlichen Ergebnis von 1 : 0 gegen eine ersatzgeschwächte und zum Ende hin nur noch mit neun Mann spielende Argentinien-Elf, etwas abzuleiten, was man durchaus als verschärften Nationalismus ansehen kann. In meinen Augen waren der Anlaß „Fußball“ nebensächlich. Wären wir in der Vorrunde ausgeschieden und hätten Steffi und Boris zeitgleich die „deutsche Fahne“ hochgehalten, hätte es zwar nicht die Feiern in diesem großen Stil gegeben, aber dieselben Schlagzeilen und Sprüche.

Mein persönliches Fazit: Der „Bürger hat das getan und gesagt, was er am „Fußballfan“ verurteilt.

Anjo Scheel, Frankfurt am Main (BRD)