Rumänien will spanisches AKW-Wrack kaufen

■ Das AKW Lemoniz war im Baskenland schwer bekämpft worden und wegen ETA-Bombendrohungen nie richtig angelaufen / Im Atomgeschäft mit Rumänien wittern westliche Konzerne dickes Geld / Alles für die Anlage von Cernovoda soll geliefert werden

Aus Barcelona Nikolas Marten

Spaniens Atomwirtschaft kommt nicht zur Ruhe. Nachdem der „Beinahe-Super-GAU“ im katalonischen AKW Vandellos1 im Oktober 1989 unzählige Schlampereien, kriminelle Versäumnisse bis hin zu verbotenem Export von Plutonium 239 für die französische Atomstreitmacht ans Tageslicht brachte, erhärtet sich nun der Verdacht, daß zumindest Teile des baskischen Atomkraftwerks Lemoniz illegal nach Rumänien zur Aufrüstung von Ceaucescus ehemaligem Prestigeobjekt, der AKW -Großanlage Cernovoda, veräußert werden sollen.

Schon der Bau von Lemoniz, das an der Biskaya bei der kleinen Badebucht von Basordas liegt, stieß Ende der 70er Jahre auf heftigen Widerstand. Bei mehreren Anschlägen kamen fünf Arbeiter des AKWs zu Tode. Sieben militante ETA -Aktivisten und ein Ökologe ließen bei Konflikten mit der Obrigkeit ihr Leben. Der Kampf von Anrainern, Bürgerinitiativen und der ETA gegen das 640 MW-Kraftwerk gilt noch heute als die erste große und blutige Auseinandersetzung zwischen Staatsmacht und Bevölkerung der Post-Francozeit. So begründetete die ETA Mordanschläge gegen Angehörige der Guardia Civil mit dem Bau des nicht nur im Baskenland ungeliebten Nuklearwerkes.

Als der Atommeiler 1984 nach siebenjährigen Bauarbeiten für umgerechnet 470 Millionen D-Mark fertiggestellt war, reagierte die nationale Atomsicherheitsbehörde CSN auf anhaltende Attentatsdrohungen seitens der ETA mit einem Stillegungs-Moratorium. Lemoniz hatte bis dato nicht einmal probeweise auch nur ein Kilowättchen Strom liefern dürfen. Die Regierung begründete damals den negativen Entscheid nicht zu unrecht mit „schwerwiegenden Planungsmängeln“ und „Fehlern in den Sicherheitssystemen“. Trotz mehrmaliger Intervention und dreier Klagen gegen das „No“ des Staates, mußte die Betreibergesellschaft Iberduero ihr AKW als Fehlinvestition abschreiben.

Szenenwechsel in das Rumänien des Jahres 1979. Drei harte Winter hintereinander hatten die ohnehin dürftigen Energiereserven des unterjochten Landes verzehrt. Die 15 -Watt-Birne wurde per Dekret als maximale Wohnzimmerfestbeleuchtung eingeführt; Havarien und Stromrationierungen sind bis heute Usus. Kredite wurden für Rüstung verschleudert, dringend benötigte Kohle und Öl gingen für Devisenerträge ins „befreundete“ Ausland - ein klassischer K.o. für den Binnenmarkt der Stromversorgung.

Zu dieser Zeit kam das Regime auf die glorreiche Idee, sein Energiedefizit durch den Bau einer riesigen AKW-Anlage zu mindern. Die kanadische Regierung spendierte dem Diktator eine Milliarde US-Dollar Kredite, und drei multinationale Großkonzerne begannen mit der Verwirklichung des Mammutvorhabens: „Aecl“ (Kanada), „General Electric“ (USA) und „Ansalso“ (Italien). Ziel für den Standort Cernavoda waren fünf Kraftwerksblöcke mit einer Gesamtkapazität von 12.000 Megawatt Jahresleistung. Doch Anfang der 80er Jahre verlor der Conducator die Lust an seinem Atomspielzeug und verwendete den Rest des kanadischen Baugelds, wie im Mai dieses Jahres Energieminister Valeriu Popa berichtete, zur Ratentilgung fälliger Westkredite.

Bis Anfang 1988 ruhten in Cernavoda die Arbeiten. Innenpolitische Alarmzeichen veranlaßten Nicolae Ceaucescu damals, den Bau forciert wieder aufzunehmen. Nun schufteten statt der vorgesehenen 5.000 sogar 18.000 Arbeiter auf der Großbaustelle. Valeriu Popa bestätigte gegenüber einer US -Journalistin, daß die Menschen unter unwürdigen Bedingungen arbeiten mußten: „Es fehlte nicht nur an Essen, Wohn- und Schlafräumen. Es mangelte an allem.“ Doch er verschwieg, was jetzt langsam ruchbar wird: Spanische Firmen waren seit 1988 mit von der Atompartie. Das amerikanische Insidermagazin 'Nuclears Week‘ hatte schon im Frühjahr über eine hispano -rumänische Atom-Connection spekuliert. Unter dem Namen „Energrup“ schloß sich ein hochkarätiges Industriekonsortium von mindestens sieben spanischen Unternehmen zusammen. Neben Betrieben für Fein- und Kabelelektronik wie „Conelec“ und „Elecnor“, den Stahlhütten von Reinosa sowie den Spezialwerkstätten von San Miguel waren vor allem die Technik und das Wissen des AKW-Röhren- und Ventilherstellers NPS und der Nuklearfirmen „Equipos Nucleares“, „SA“ und „Sener“ für die rumänischen AKW-Konstrukteure von größtem Interesse. Auch den iberischen Atomdealern kam der Regierungswechsel gelegen, hatten sie doch über Jahre auf der Cocom-Liste, also für den Export in Ostblockstaaten verbotenes Material geliefert und montiert. Dazu beklagte Angel Jauregui, Chefkoordinator von Energrup, „wir waren Ende letzten Jahres soweit, das Handtuch zu schmeißen. Alles hing doch vom täglichen Wahnsinn einer Person ab.“

Die Niederschlagung des Ceaucescu-Regimes und die revolutionären Tage stoppten die Arbeiten an der hermetisch abgeriegelten Anlage von Cernavoda nur kurz. Schon Ende Januar hob der rumänische Revolutionsrat, noch nicht durch Wahlen legitimiert, erneut die Startflagge für die Baufortsetzung: Die mit kanadischem Geld finanzierten ersten beiden Reaktorblöcke erhielten sofortige Betriebsgenehmigungen, und der Auftrag für die Fertigstellung der restlichen drei wurde erteilt. „Für uns ist die Atomenergie die einzige Lösung, trotz der Gefahren und Unfälle, wie in Tschernobyl geschehen“, erklärt Dan Grecu, Wissenschaftssekretär des rumänischen Nuklear-Energie -Instituts. Die Madrider Tageszeitung 'El Sol‘ berief sich in einem Artikel vom 29.5.90 auf „verläßliche rumänische Regierungskreise“, als sie die Nachricht verbreitete, der auch am Bau von Cernavoda beteiligte US-Konzern General Electric hätte den Rumänen „einen Besuch in Spanien“ empfohlen, da es dort die „weltweit einmalige Chance gebe, eine komplett installierte Nuklearanlage zu erhalten“. Zwar hätte Lemoniz noch keine „Betriebserfahrung“, doch sei das umstrittene AKW „in außergewöhnlichem Zustand“. Energieminister Valeriu Popa ließ Mitte Juni das „rumänische Interesse“ in einem Interview dann regierungsoffiziell werden, obwohl derlei Technologietransfer illegal ist.

Verständlich nun der Jubel bei den spanischen Kooperateuren. „Wir können viele Milliarden (16,4 Millionen D-Mark) verdienen“, freut sich Angel Jauregui, „wenn wir alles verkaufen, was zur Disposition steht, gibt es für unsere Firmen Arbeit und Aufträge über Jahre hinaus.“ Der Mann von Energrup muß es wissen, war er doch schon im Mai zu Vorgesprächen mit Regierungsvertretern und Atomingenieuren in Bukarest, die den Verkauf des baskischen Reaktors zum Thema hatten.

In der ersten Juliwoche gab es in Bilbao ein weiteres Treffen, an dem erneut Rumänen, Vertreter von Energrup und Repräsentanten des Lemoniz-Eigners, Iberduero, teilnahmen. Jauregui hält das „rumänische Atomprojekt“ für das „ambitionierteste der Welt“. Fröhlich plaudert er weiter: „Für die Rumänen ist von der Elektrode über Ventile bis zu kompletten Turbinenanlagen jedes demontierbare Teil des AKWs interessant.“ Über juristische Probleme möchte der fidele Schacher nicht grübeln: So wie die „Stimmung“ jetzt sei, müßte „die Welt“ doch „dankbar“ sein, daß den „Rumänen so unkompliziert“ geholfen werde.

Offizielle Sprecher von Iberduero halten sich da bedeckter. Gegenüber der baskischen Tageszeitung 'egin‘ bestritten sie „jegliche Kenntnis“ bezüglich einer „geschäftlichen Partnerschaft“ mit der rumänischen Regierung. Ferner bestritten sie, daß Lemoniz zum „Verkauf“ stünde; von der Person Angel Jauregui wollten sie gar „niemals gehört“ haben.

Ein weiteres Beispiel des West-Ost-Nuklear-Deals: Die CSFR und die AKWs, siehe taz, Seite 9, vom 22.7.