Betten zusammengeschoben

■ DDR-Jungs fürchten BRD-Mädels /Tagung zum gesamtdeutschen Sex

Mit dem Geschehen in deutsch-deutschen Schlafzimmern setzten sich auf Einladung von „Pro Familia“ rund 200 SexologInnen, FamilienberaterInnen und TherapeutInnen aus beiden Teilen Deutschlands auf einer Tagung zum Thema „Sexualität BRD/DDR im Vergleich“ auseinander. Weil, wie wir gelernt haben, Sexualität alle Bereiche des Lebens beeinflußt, wollten die Familienberater in Bad Nenndorf eine erste deutsche Bestandsaufnahme versuchen.

Unterschiede im sensiblen Bereich der Sexualität gibt es nach Ansicht der Fachleute tatsächlich: „In der Bundesrepublik treten sexuelle Störungen wie Impotenz häufiger als in der DDR auf“, berichtete Ruth Kuntz-Brunner, Vorstandsmitglied im niedersächsischen Landesverband von „Pro Familia“.

Außerdem werde in der DDR bis zu 50 Prozent häufiger Sex gemacht. Als Grund nimmt die Beraterin unter anderem an, daß Sex in der Bundesrepublik überfrachtet sei. Vor allem Männer würden sich vor dem Beischlaf so viele Gedanken machen, daß sie anschließend Schwierigkeiten hätten.

Der Hamburger Sexualwissenschaftler Werner Habermehl vermutet, daß die größere Häufigkeit des Beischlafes in der DDR unter anderem mit dem bisher be

schränkten Freizeitangebot zusammenhängt. Auch sei die Furcht vor einer ungewollten Schwangerschaft wegen der liberaleren DDR-Bestimmungen für einen Schwangerschaftsabbruch geringer.

Sex sei in der DDR weniger mit dem Wunsch nach Liebe verbunden als in der Bundesrepublik, sagte Ruth Kuntz -Brunner. Im Westen werde beim Sexualpartner ein größerer Wert auf Intellekt und Emotionen gelegt.

Das berühmt gewordene „erste Mal“ passiert in der DDR laut Statistik mit 16 Jahren, in der Bundesrepublik mit 17. Und die Jugendlichen in der DDR mehr Sexualpartner, trotzdem fürchten sie gewissermaßen den „West-Sex“. Ängste vor Aids, aber auch vor möglichen Unterschieden im Westen beschäftigen DDR-Jugendliche.

Dabei sind es nicht so sehr die konkreten sexuellen Praktiken, die sich Hüben und Drüben unter

scheiden. Die gesellschaftlichen Strukturen sind anders und damit auch das Verhalten in Sachen Sexualität.

„DDR-Jungs haben Schwierigkeiten mit bundesdeutschen Mädchen“, berichtet Kuntz-Brunner. In Diskotheken täten sie sich schwerer damit, Mädchen anzusprechen. Das sei bei bundesrepublikanischen Jungs und DDR-Mädchen nicht der Fall. Der Grund könnte in der ausgeprägten Single-Kultur und dem in der DDR häufig vorhandenen Wunsch nach Familie und Kindern liegen. Auf der anderen Seite ist die Zahl der Seitensprünge in der DDR größer. Ehen halten in der Bundesrepublik länger. Die DDR nimmt in den Scheidungsstatistiken den dritten Platz nach den USA und der UdSSR ein.

Ein wichtiger Punkt der Tagung waren außerdem gesetzliche Regelungen. Die meisten Teilnehmer befürworteten die Übernahme der DDR-Regelung zum

Schwangerschaftsabbruch. Dort können Frauen im Gegensatz zur Bundesrepublik bis zur zwölften Schwangerschaftswoche selber entscheiden, ob sie abtreiben wollen. Im Bezug auf Homosexuelle ist die DDR nach Ansicht der Tagungsteilnehmer ebenfalls richtungsweisend: Im Strafrecht der DDR werde nicht zwischen heterosexuellen und homosexuellen Handlungen unterschieden.

Die Wissenschaftler, die sich beruflich mit den sexuellen Verklemmungen ihrer Mitbürger beschäftigen, wären übrigens von diesen wahrscheinlich nur schwer verstanden worden. Der Samenerguß hieß zum Beispiel im Referat des Chemnitzer Sexualberaters Siegfried Schnabl „Kulmination“. Das Vorspiel nennt er „Präludium“. Der erste Beischlaf heißt „Kohabitarche“ und Sex, das ist nun auch ganz unzweifelhaft, ist ein „bio-psycho-soziales Phänomen“. Hans-Edzard Busemann (dpa