Keine Amnestie für Berufsverbote

■ Rot-grüne Regierung in Hannover rät Berufsverbotenen zu neuen Bewerbungen

Allen, die in den letzten 18 Jahren in Niedersachsen per Berufsverbot aus ihren LehrerInnen-Stellen geworfen wurden, „empfehle ich eine neue Bewerbung“, hatte Ministerpräsident Gerhard Schröder am Montag verkündet, „die werden dann behandelt wie alle anderen auch.“ Eine „Frechheit“ findet diese Interpretation der rot-grünen Koalitionsvereinbarung zur Aufhebung des Radikalenerlasses von 1972 allerdings der Oldenburger Anwalt vieler vom Berufsverbot Betroffener, Henning Adler: „Das Mindeste wäre doch wohl ein Bonus beim Einstellungsverfahren, um die jahrelang erlittene Verfolgung jedenfalls etwas wiedergutzumachen.“ Eine erneute Bewerbung für den Schuldienst hätte den Berufsverbotenen schließlich noch nichtmal die Regierung Albrecht verbieten können. Statt des allgemeinen Appells fordert der Oldenburger Anwalt „direkte Verhandlungen in jedem Einzelfall“.

Immerhin geht es um die berufliche Zukunft von rund 100 niedersächsischen LehrerInnen. Zwölf von ihnen sind inzwischen rechtskräftig aus dem Beamtendienst „entfernt“, sieben Disziplinarverfahren laufen noch vor dem Lüneburger Oberverwaltungsgericht und 70 bis 80 LehrerInnen wurden schon bei ihrer Bewerbung auf eine Stelle vom Verfassungsschutz ausgesiebt. Zwar hat der neue SPD -Kultusminister Rolf Wernstedt am Montag das Oberverwaltungsgericht aufgefordert, zumindest die schwebenden Verfahren „anständig zu beenden“. Für das während ihrer Suspendierung vom Dienst gekürzte Gehalt hätten diese Berufs

verbotenen dann auch Anspruch auf Nachzahlungen zwischen 70.000 und 100.000 Mark. Für diejenigen, deren Berufsverbot bis zur letzten Instanz bestätigt wurde, oder die schon bei ihrer Bewerbung mit Verfassungsschutzbedenken abgelehnt wurden, hat jedoch auch der Kultusminister nur den Rat, sich wieder zu bewerben.

„Eine bevorzugte Behandlung wird es aber nicht geben“, erklärte Pressesprecher Morell gestern. Eine Benachteiligung durch die per Berufsverbot erzwungene Unterbrechung der LehrerInnen-Tätigkeit sieht er nicht. Im Gegenteil: Schließlich habe die Landesregierung mit der Koalitions

vereinbarung zur Abschaffung des Radikalenerlasses ein „klares Zeichen gesetzt“. Und die Beamten der Einstellungsbehörden „müßten ja wohl lesen können und sich danach richten.“

Doch mit genau diesen Beamten haben die Berufsverbotenen die schlechtesten Erfahrungen gemacht. So zum Beispiel Dorothea Vogt: 1981 hatte die niedersächsische Landesregierung Berufsverbot gegen die Lehrerin aus Jever verhängt, weil sie die Erlaubnis für einen Info-Stand beantragt hatte. Vor drei Jahren wurde sie nach Urteilen des Oldenburger Verwaltungs- und des Lüneburger Oberverwaltungsgericht endgültig aus dem Schuldienst ge

worfen. Ende letzten Jahres erhob sie Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe - vertreten durch den Anwalt Gerhard Schröder.

Der ist inzwischen Ministerpräsident. „Wenn ich jetzt an meine Schule zurück könnte, dann wäre es womöglich nicht mehr nötig, fünf Jahren auf eine Verfassungsgerichts -Entscheidung zu warten“, hofft Dorothea Vogt. Doch von einem Amnestiegesetz, das die Berufsverbote tatsächlich rückgängig machen würde, ist jetzt nicht mehr die Rede. Und das Kultusministerium verweist auf die 1.000 neuen LehrerInnen-Stellen, für die Bewerbungen noch bis Ende Juli entgegengenommen werden.

Ase