„Mein Gott, war das furchtbar“

■ Jackie Joyner-Kersee war bei den Goodwill Games entsetzt über ihren schwachen Siebenkampf Carl Lewis verlor gegen seinen Kumpel Leroy Burrell / DDR-Schwimmteam frustriert

Seattle (dpa) - Carl Lewis lächelte nach seiner 100 m -Niederlage bei den Goodwill Games in Seattle gegen seinen Freund Leroy Burrell (beide USA) gequält. Im sechsten Duell der beiden besten Sprinter der Welt hatte Burrell am Montag abend mit 10,05 Sek. zum ersten Mal nicht ganz unerwartet gewonnen - und der sechsmalige Olympiasieger (10,08 Sek.) mußte gratulieren.

„Ich bin glücklich über das Ergebnis“, sagte Burrell, der in dieser Saison weiter ungeschlagen blieb, „ich war relativ ruhig und weiß jetzt, daß ich jeden schlagen kann.“ Der 23jährige Sprinter küßte die Laufbahn, während Lewis, als er sich unbeobachtet fühlte, verärgert seine nichtswürdigen Schuhe auf den Boden schmiß. „Kein Beinbruch. Leroy war der Bessere heute“, anerkannte Lewis, „er hat verdient gewonnen, aber ich weiß, daß ich das beste Rennen meiner Karriere noch in mir habe.“

„Vergleicht mich doch nicht immer mit Carl“, bat Burrell nach dem Rennen, „Carl hat viel mehr Erfahrung.“ Doch der Vergleich ist unvermeidbar. Burrell ist wie Lewis auch im Weitsprung Extraklasse, beide trainieren gemeinsam in Houston unter Trainer Tom Tellez, starten für den Santa Monica Track Club, und beide verfolgen nebenbei eine Karriere als Reporter. Burrell hat im Juni sein Medienstudium abgeschlossen, Lewis arbeitet seit längerem bei der Radiostation KYHS als Sportreporter.

Jackie Joyner-Kersee und Roger Kingdom enttäuschten auch, aber sie gewannen immerhin. Die Siebenkampf-Olympiasiegerin, die einen Weltrekord angekündigt hatte, schloß mit 6.783 Punkten ihren schwächsten Wettkampf der vergangenen vier Jahre ab, und der zweimalige 110 m-Hürden Olympiasieger mühte sich zu einem hauchdünnen Erfolg in schwachen 13,47 Sekunden vor seinem Landsmann Tony Dees (13,48 Sekunden). „Ich will diesen Wettkampf so schnell wie möglich vergessen“, ärgerte sich Jackie Joyner-Kersee. „Mein Gott, war das furchtbar. Mein Mann wird mit mir schimpfen.“ Jelena Jelesina aus der UdSSR verbesserte im Hochsprung ihre eigene Jahresweltbestmarke um einen Zentimeter auf 2,02m, Kubas Ana Quirot siegte über 800m in guten 1:57,42 Minunten, und Joe Falcon aus den USA sicherte sich die 1.500 m in 3:39,97 Minuten.

Im neuen King County Acquatic Center blieben die erfolgsverwöhnten DDR-Schwimmerinnen erneut ohne Sieg in einer Einzelkonkurrenz, während ihre Konkurrentinnen aus den USA drei Weltjahresbestzeiten aufstellten. Janet Evans verpaßte über 1.500 Meter Freistil in ausgezeichneten 15:54,23 Minuten nur knapp den eigenen Weltrekord, Summer Sanders beherrschte die 200 Meter Lagen nach Belieben (2:14,06 Min.), und die 4x100-Meter-Lagen-Staffel schlug in 4:06,94 Min. an. Bei den Männern sorgten Martin Zubero aus Spanien (1:59,50 Min. über 200 Meter Rücken) und der Pole Artur Wojdat (3:48,61 Min. über 400 m Freistil) für zwei weitere Bestmarken in diesem Jahr.

Bei der ganzen Unklarheit zu Hause sei es schwierig, sich zu konzentrieren, sagte die 20jährige Anke Möhring, Dritte über 1.500 Meter Freistil. Ähnlich äußerten sich ihre Teamgefährtinnen. Katrin Meißner erfuhr in den USA von der Entlassung ihrer Mutter. Olympiasiegerin Heike Friedrich aus Karl-Marx-Stadt bekam mitgeteilt, ihr Trainer Achim Rother werde nach der Rückkehr ebenfalls arbeitslos sein. „Unser Mannschaftsgeist hat sich geändert“, gab Daniela Hunger zu, „die meisten von uns denken eher daran, Arbeit zu finden, als ans Schwimmen.“

Frustriert ist auch Lutz Wanja, der Trainer von Jörg Hoffmann, dem einzigen DDR-Starter, der in Seattle bislang Gold gewann (800 m Freistil). Daß das Schwimmprogramm des vereinten Deutschland das der Bundesrepublik sein wird, stinkt ihm. „Wir lassen uns nicht nach dieser Methode unterbuttern“, sagte der Potsdamer Trainer einem DDR -Reporter, „lieber gehe ich woanders hin.“ Und sein Kollege Rother fügte hinzu: „Wenn's sein muß, gehen wir alle nach Dänemark und bringen die in die Weltspitze.“

Sven Busch