Spelunke in den Sümpfen des Mississippi

■ „Gleiche Rechte für alle, auch die Weißen“ - mit diesem Slogan kandidiert der ehemalige Nazi- und Ku-Klux-Klan-Führer David Duke in Louisiana für einen Senatorensitz / Die Opfer der Reagan-Jahre verstehen sein Gedankengut

Aus Louisiana Rolf Paasch

„Duke, Duke, Duke!“ Mit den Fäusten rhythmisch in die Luft schlagend begrüßt das Publikum der „Blind River Bar“ seinen Helden. David Duke, Ex-Nazi, Ex-Anführer des Klu-Klux-Klan und seit 1989 Abgeordneter des Repräsentantenhauses im US -Bundesstaat Louisiana springt mit einem sportlichen Satz auf den Landungssteg der Flußkneipe. Wie seine rund 300 politischen Anhänger ist auch er mit dem Motorboot gekommen. Seine Leibwächter bahnen ihm den Weg durch die begeisterte Menge, deren T-Shirts und Fähnchen seine jüngste Ambition verkünden: „David Duke, US-Senate“.

Bei kühlendem Bier, in Styroporbechern serviert, und den scharfen Delikatessen der „Cajun Cuisine“ läßt sich der Besucher von den Einheimischen einige Grundwahrheiten des Lebens am Rande der schwülen Sümpfe erklären: „Die Krokodile sind harmlos und stören beim Wasserskifahren durch den vom Mississippi gefluteten Dschungel überhaupt nicht. Nur ins Nest der giftigen Mokassinschlange soll man besser nicht fallen. Aber die wirkliche Gefahr rührt hier eher von Juden, kinderreichen Schwarzen und Sozialhilfeempfängern, die der hart arbeitenden weißen Bevölkerung das Leben schwer machen.“

David Duke hat dies verstanden. Seine Kampagne für den Senatssitz in Washington baut auf Vorurteile und nährt sie mit falschem oder irreführenden Zahlenmaterial. Seine Wahlkampfmaschine, fast identisch mit der 1980 von ihm gegründeten „Nationalen Organisation für die Förderung von Weißen“ (NAAWP), hat in den letzten Wochen Hunderttausende von Fragebogen verschickt: „Wollen Sie daß Wohlfahrtsempfänger arbeiten müssen?“ „Sind sie gegen Steurerhöhungen?“ „Und für die Freiheit, Waffen zu tragen?“ Die 60.000 Bürger, die diese und andere Suggestionen mit „Ja“ beantwortet haben, sind nun im Computer gespeichert: als sichere Duke-Wähler und potentielle Geldgeber für die Endphase des Wahlkampfes im Herbst.

Duke, der offiziell die Unterstützung durch den Big Busineß ablehnt, hat bereits eine Million Dollar an Spenden eingesteckt; wovon 300.000 Dollar allein für einen äußerst professionellen und halbstündigen (!) Werbespot im Lokalfernsehen draufgegangen sind. David Duke ist als konservativer Kandidat der Republikanischen Partei im Rennen gegen den demokratischen Senator Jay Bennett Johnson reiner Außenseiter. Da kaum einer der zu 26 Prozent schwarzen Bevölkerung Louisianas für sein implizit rassistisches Programm stimmen wird, bräuchte er zum Sieg 70 Prozent der weißen Stimmen. Bei den Vorwahlen am 6.Oktober, könnte er durchaus die offiziellen republikanischen Kandidaten schlagen und eine Endwahl gegen den demokratischen Amtsinhaber erzwingen. Schon vor seiner Wahl ins Repräsenantenhaus von Louisiana hatte ihn die Meinungsumfrage erheblich unterschätzt.

In seinem Wahlkreis Metairie, wohin viele Weiße „auf der Flucht“ vor den Schwarzen gezogen sind, wie auch hier in der „Blind River Bar“, setzt sich seine Anhängerschaft aus den Zukurzgekommenen der Reagan-Jahre zusammen, aus den Opfern der im Öl- und Chemiestaat Louisiana besonders schlimmen Rezession Anfang der 80er Jahre. „White Trash“, Weißer Abschaum, so würde man sie in Südafrika bezeichnen. David Duke ist die Personifikation der politischen Reaktion auf die Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre und ihre Maßnahmen zur positiven Diskriminierung der Schwarzen.

„Hier kommt der Mann“, so sagt John, „der mit seinen drei wettergegerbten Kumpels noch aus dem Filmset von Easy Rider stammen könnte, der uns die Worte nur so aus dem Mund nimmt.“ Dann wandert auch seine Hand aufs Herz, als die vom Band gespielte Nationalhymmne das Wellblechdach der Spelunke und die Gemüter der Versammelten in heftige Vibrationen versetzt. „Amerika ist wie der Turm zu Babel“, beginnt David Duke seine Ansprache mit einer apokalyptischen Vision: zu hohe Steuern, zu viel Wohlfahrt, zu viele Minoritätenprogramme, zu viele illegale Immigranten, Kriminalität und uneheliche Kinder. Er erzählt von einem schwarzen Mann, der nicht nur seine Frau, sondern gleich auch noch drei seiner Töchter schwängerte, auf Kosten des Steuerzahlers versteht sich. Er spricht sich gegen jede Form von Waffenkontrolle aus, damit wir uns gegen die Kriminellen verteidigen können. „Jawohl Duke“, gröhlt Jay, ein Ölarbeiter, der uns vorher seine Weltangst beschrieben hatte: „So unterwandern uns die Kommunisten. Zuerst verbieten sie uns unsere Knarren und später dann alles andere.“ Duke redet von denen, die schon seine zahme Fernsehbotschaft als rassistisch verdammen, während sein Protest gegen die Martin Luther Kings und Nelson Mandelas auf dem Bildschirm bei den Verantwortlichen auf taube Ohren stößt. Was fehlt, so sein Resümee, ist einer wie er, David Duke, der endlich aufsteht und ausspricht, was die Leute denken.“

„Gleiche Rechte für alle, auch für uns Weiße.“ Tosender Applaus. „Duke, Duke, Duke“, schreit jetzt auch Ben, dessen kleine Boilerfirma im letzten Jahr angeblich Pleite machte, weil die ganzen staatlichen Aufträge aufgrund der Quotenregelung an Minoritätenfirmen gingen.“

David Duke kommt an. Dabei sind die Männer und Frauen, die ihm in der „Blind River Bar“ zujubeln keine Faschisten, sondern nur einfache und freundliche Menschen. So gutgläubig eben, daß sie sogar David Dukes Vergangenheit entschuldigen. „Okay“, sagt John, ein Gefängniswärter aus dem benachbarten Hilltop. Der Junge hat eben früher Nazi-Literatur vertrieben. Na und. Jeder macht mal'n Fehler. Ich war früher eben ein Dope-rauchender Hippie.“ Dabei sind David Dukes Jugendsünden so dauerhaft wie das jugendliche Aussehen des 40jährigen nach seinem Lifting. „Wie ein Kriegsverbrecher. Nichts an diesem Mann ist echt“, sagt Lance Hill, von der „Louisiana Coalition against Nazism and Racism“, der Dukes Aufstieg vom Hinterzimmer-Nazi zum salonfähigen Senatorenkandidaten verfolgt hat.

Der Mann, der als 19jähriger die Ausrottung der Juden und den Rücktransport der Schwarzen nach Afrika forderte, der 1980 den Klan verließ, weil er dessen Image - nicht sein Programm - für überholungsbedürftig hielt, der sich mehrfach für sozialpolitische Stärkung der weißen Rasse eingesetzt hat und jahrzehntelang Kontakte zu europäischen Neonazis unterhielt, dieser Bewerber um das Senatorenamt sorgt in Louisiana für weniger Aufregung, als dies zu erwarten wäre. Vertreter der jüdischen Gemeinde von New Orleans versuchen es mit einer rührigen Informationskampagne, während es andere, so der Historiker Lance Hill, „wieder mal nicht wahrhaben wollen“. Und für die schwarze Bevölkerung, die mit Drogen und Gewalt in ihren Wohngebieten viel dringendere Probleme hat, ist der verbrämte Rassismus hier in den Südstaaten nichts Neues. So bleibt Duke zwar ein peinliches Phänomen für die Republikanische Partei, ist aber gleichzeitig ein durchaus attraktiver Anti-Establishment -Kandidat für die Unzufriedenen.“ Es ist halt einfacher eine schwarze Sozialhilfeempfängerin für das eigene wirtschaftliche Nichtvorankommen verantwortlich zu machen, als die in der Krise aus Louisiana geflohenen Ölkonzerne“, erklärt Lance Hill den Erfolg der Duke Kampagne. In der „Blind River Bar“ hat es an diesem Samstag jedenfalls den Anschein, als könne Duke, vielleicht sogar das historische Versagen der amerikanischen Neonazi-Bewegung überwinden; und dem faschistischen Gedankengut aus Europa endlich einen amerikanischen Anstrich geben. Nachdem ihr der Barman noch einen Drink aus Gin, Rum, Wodka und Ananassaft gemixt hat, erklärt mir Liza wie attraktiv sie David Duke in Wort und Körper findet. „Weißt du“, so flüstert mir die zukünftige Wählerin, die sonst in einer Konservenfabrik arbeitet, ins Ohr: „Mit diesem Drink ist es wie mit Amerika. It's out of fucking control, man.“