Souter, der unbekannte Konservative

■ US-Präsident Bush wählte geschickt einen Kompromißkandidaten zum Nachfolger des demokratischen Obersten Richters Brennan, weil er weiß, daß an der Abtreibungsfrage seine politische Zukunft hängt

Aus Washington Rolf Paasch

US-Präsident George Bush hat mit seiner ersten Ernennung eines Obersten Richters eine politische Auseinandersetzung über die Besetzung des Supreme Court verhindern wollen. Mit der Berufung des bisher völlig unbekannten, aber verläßlich konservativen Berufungsrichters David Souter (50) hat er einen Kompromißkandidaten ausgewählt, der für die republikanische Rechte gerade noch akzeptabel sein dürfte. Bushs politische Gegner werden sich dagegen mit ihrer Kritik an dem bisher recht meinungslosen Kandidaten schwer tun. Da Souter erst seit April als Berufungsrichter tätig war, sind seine Positionen zu den politischen und juristischen Streitfragen Abtreibung oder Anti-Diskriminierung völlig unbekannt. Gleichzeitig dürfte dem Senat eine Ablehnung des Bush-Kandidaten schwer fallen, da er Souters Ernennung zum Berufungsrichter in New Hampshire erst vor wenigen Monaten zugestimmt hatte.

Die neun Obersten Richter der USA werden vom Präsidenten auf Lebenszeit ernannt und haben großen Einfluß auf die Gesellschaft, da sie über die Verfassungskonformität der Gesetzgebung entscheiden. Vor allem für die BefürworterInnen und GegnerInnen der im Grundsatzurteil „Roe gegen Wade“ 1973 bestätigten Abtreibungsfreiheit ist die Nachfolge des fortschrittlichen Richters Brennan von höchstem Interesse. Die bisherige knappe konservative Mehrheit des Verfassungsgerichts hat sich noch nicht zu einer gründsätzlichen Revision der Abtreibungsfreiheit durchringen können, sondern lediglich den Bundesstaaten Einschränkungen des Rechtes auf Abtreibungsfreiheit zugestanden.

Während die republikanische Parteirechte nun mit der Berufung eines Abtreibungsgegners endgültig auf ein Ende der Abtreibungsfreiheit hofft, sind für den ebenfalls überzeugten Abtreibungsgegner George Bush plötzlich politische Argumente wichtiger geworden. Denn sollte sich der von ihm ernannte Oberste Richter mit seiner Haltung für ein endgültiges Ende der Abtreibungsfreiheit verantwortlich zeigen, so würde dies mit Sicherheit Bushs Wiederwahl 1992 gefährden. Mit Souter hofft die Bush-Administration nun einen Kandidaten gefunden zu haben, der weitere Restriktionen der grundsätzlichen Abtreibungsfreiheit zuläßt, ohne gleich ein faktisches Abtreibungsverbot herbeizuführen.

In jedem Falle wird die Ernennung Souters zu einem weiteren Rechtsruck des Verfassungsgerichtes führen. Die Zeiten, da der „judikative Aktivismus“ von William Brennan und einigen liberalen Kollegen zahlreiche sozialpolitische Veränderungen in der US-Gesellschaft einleitete, sind jedenfalls endgültig vorbei. In den 50er und 60er Jahren war es vor allem der Oberste Gerichtshof gewesen, der mit seinen fortschrittlichen Urteilen die Rassentrennung beendete und damit die juristische Basis für die politischen Erfolge der Bürgerrechtsbewegung schuf. Seit Reagan hingegen drei ausgesprochen konservative Oberste Richter ernannte, sind für das Oberste Gericht keine kreativen Verfassungsinterpreten, sondern nur noch strikte „Verfassungskonstruktivisten“ gefragt, zu denen auch Souter zählt. George Bushs Kandidat verdankt seine juristische Karriere darüber hinaus dem ehemaligen Gouverneur von New Hampshire und jetzigen Stabschef im Weißen Haus - John Sununu. Und an der konservativen Ausrichtung des immer einflußreicheren Sununu kann eigentlich kein Zweifel bestehen.