„Zeigen's mir die rote Karte“

■ Über die Berichterstattung in einem „königlich-bayerischen Amtsgericht“

„Zeigen's mir mal ihre rote Karte“ - „Wie bitte, hier ist mein Presseausweis“ - „Nein, die rote Karte“. Der Beamte im Gerichtssaal des Münchner Amtsgericht bleibt stur. Ohne rote Karte darf auch die Presse nicht in den Saal. Selbst der Einwand, daß die jungen Polizisten, die draußen auf dem Gerichtsflur hinter der Absperrung die Justiz bewachen, anscheinend diese Verordnung nicht kennen und mir keine rote Karte in die Hand drückten, nützt nichts. „Die Tasche nehmen's auch wieder mit“, faucht er.

Zurück also auf „los“. Neuer Versuch mit rotem Kärtchen. Das Kärtchen mit dem Stempel der Polizeidirektion München -West und der Nummer 15 halte ich dann dem nächsten Beamten unter die Nase, der mich im Gerichtsaal erneut kontrolliert. Ihm freilich genügt die rote Karte, die sein Kollege so schmerzlich vermißte und die einer Biermarke für ein paar Maß Freibier verblüffend ähnelt, nicht. „Wo ham's denn ihren Presseausweis“, schnauzt er mich an. Ich zücke den „Sonderausweis der Bayerischen Landtagspresse“. „Nein, den Presseausweis mecht i seng“, insistiert er. Ich knalle den Presseausweis auf den Tisch. „Bei uns müßt's Eich scho an unsere Regeln haltn“, raunzt der Beamte endlich zufrieden.

Kurz davor wurde jedoch einer Kollegin, die exakt den selben Presseausweis vorzeigte, erklärt: „Der guilt nix, den kriagt ja jeder Zeitungsverkäufer“. Ihr drohen die Ordnungshüter: „Bei eahna müss ma erst an Richter fragn, ob sie ihre Notizen b'halten dürfen“. Während der Verhandlung versucht sich der Beamte dann tatsächlich die Erlaubnis dafür beim Staatsanwalt zu holen. Doch da spielt selbst Staatsanwalt Mützel nicht mehr mit.

Und wenn frau dann noch einen Blick auf die einsatzbereiten USKler im Gerichtssaal gegenüber erhascht, die ja nur mal „einen Betriebsausflug“ ins Gerichtsgebäude in der Nymphenburger Straße machen wollten, macht es mal wieder so richtig Spaß im Freistaat als freie Presse einer Gerichtsverhandlung ohne „freies Organ der Rechtspflege“, dafür aber mit einer unabhängigen Judikative dabei zu sein und auch noch - welch unverdiente Gnade - berichten zu dürfen.

lui