„Aktion Lindwurm“ startet am Donnerstag

■ Die Bundeswehr gab den Termin für den Abzug der C-Waffen aus der Westpfalz bekannt / Die Sicherheit des Transports wird notorisch beteuert, von den KritikerInnen aber nicht geglaubt / Jeder Transport wird von 1.200 Polizisten begleitet

Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - Wenn am Donnerstag um acht Uhr der erste Konvoi mit über 80 Fahrzeugen startet, um die Giftgasbestände der amerikanischen Streitkräfte aus dem C -Waffendepot im westpfälzischen Clausen abzutransportieren, ist der personelle Aufwand enorm. Neben einer großen Anzahl von US-Soldaten und Bundeswehrangehörigen werden an jedem der dreißig geplanten Transporttage weitere 1.200 Polizisten eingesetzt sein.

Mit der Bekanntgabe des Termins zog das Bonner Verteidigungsministerium am Montag abend einen Schlußstrich unter wochenlange Spekulationen. Insgesamt 102.000 Artillerie-Granaten, gefüllt mit den chemischen Kampfgiften „Sarin“ und „VX“, sollen dann auf zwei Alternativrouten mit Sattelschleppern über eine Strecke von etwa 50 Kilometern in ein Zwischenlager nach Miesau in die Nähe von Kaiserslautern geschafft werden. Weil die Chemie-Waffen in Miesau in unmittelbarer Nähe zum Nato-Flugplatz unter freiem Himmel gelagert werden sollen, wurde eigens die Flugverbotszone um das Lager auf einen Radius von 7,4 km ausgeweitet. Von dort aus soll die Giftfracht frühestens in sechs Wochen in sieben nächtlichen Eisenbahntransporten zum Nordseehafen Nordenham geschafft werden. Anschließend wird sie per Schiff zur Pazifikinsel Johnston-Atoll zu einer Vernichtungsanlage gebracht.

Mit einem bisher nicht gekannten Aufwand beteuerten die letzten Wochen und Monate die Verantwortlichen im Bonner Verteidigungsressort, im Mainzer Innenministerium und bei den amerikanischen Streitkräften die „uneingeschränkte Transportsicherheit“ der C-Waffen, die entsprechend einer Vereinbarung zwischen Kanzler Kohl und dem früheren US -Präsidenten Reagan von 1986 vollständig aus der Bundesrepublik verschwinden sollen. Über drei Jahre sei der Abzug sorgfältig vorbereitet worden, heißt es in Bonn, zahlreiche und „sehr sorgfältig vorbereitete Übungen und Überprüfungen“ seien der am Donnerstag beginnenden „Aktion Lindwurm“ vorangegangen. Die Munition werde ohne Zünder, ohne Treibladung, in luftdichten Stahlmagazinen und in feuchtigkeitsgeschützten Stahlblechcontainern tranportiert.

Nicht sicher genug, hatten dagegen KritikerInnen moniert und den Klageweg beschritten. Vor dem Kölner Verwaltungsgericht konnte sich die zwölfköpfige Klagegruppe aus BürgerInnen, die entlang der vermuteten Transportstrecke wohnen, Ende letzter Woche aber nicht durchsetzten. Die Richter folgten den Ausführungen der Bundesregierung und sahen keinen Anlaß für eine einstweilige Verfügung, die den Abtransport der C-Waffen hätte verhindern können.

Ob nun der Gießener Oberbürgermeister Manfred Mutz mit seinem Veto gegen die „Aktion Lindwurm“ durchkommen wird, ist noch offen. Mutz kündigte an, seine hessischen Kollegen Ende Juli zu einer „konzertierten Aktion“ zusammenzurufen, um den „Gift-Zug“, der vom Zwischenlager in Miesau ins niedersächsische Nordenham rollen soll, zu „blockieren“. Insbesondere monierte Mutz, daß der Abtransport völlig überstürzt sei. In einem Brief an Kanzler Kohl klagte er, daß über Alternativen - zum Beipiel die chemische Umwandlung der flüssigen Gifte in Salze - nicht einmal nachgedacht wurde. Angesichts der dichten Besiedlung entlang der Bahnstrecke sei der Transport nicht zu verantworten. Notfalls, drohte er, könne er auch als Privatperson gegen den Gift-Zug klagen.

Nach einem Bericht der 'Frankfurter Rundschau‘ hat das hessische Innenministerium in einem geheimen Schreiben für den Bahntransport zwei Alternativ-Routen den Anliegergemeinden mitgeteilt. Die Züge mit der giftigen Fracht sollen danach am 10. September starten. Sie könnten zum einen die Rheintalroute über Ludwishafen, Mainz und Koblenz nehmen, oder zum anderen über die Orte Mannheim, Aschaffenburg, Hanau, Marburg und Kassel rollen. Die Mainzer Behörden bestätigten bisher nur, daß Kreise und kreisfreie Städte über Alternativrouten inmformiert wurden.

Entlang der Wegstrecke ins US-Depot Miesau verteilen nun Polizei, Bundeswehr und US-Streitkräfte eine Informationsbroschüre zum C-Waffenabzug. In einem Bügerbrief bittet der Mainzer Innenminister Rudi Geil gleichzeitig die Bevölkerung um Verständnis für die „Belastungen und Belästigungen“, die sich ab Donnerstag aller Voraussicht nach nicht vermeiden lassen.