218-Entscheidung „nicht den Männern überlassen“

■ SPD-Frauenpolitikerin Renate Schmidt begrüßt die Initiative Rita Süssmuths zum Paragraphen 218

INTERVIEW

Renate Schmidt ist Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Gleichstellung von Mann und Frau“ der SPD -Bundestagsfraktion. Schmidt gehört zu den profiliertesten Frauenpolitikerinnen ihrer Partei

taz: Was halten Sie von Rita Süssmuths Vorschlag, einen „dritten Weg“ zwischen Indikations- und Fristenlösung zu suchen?

Renate Schmidt: Bei allen Unterschieden, die es zwischen uns gibt, begrüße ich im Grundsatz diesen Vorschlag. Das wichtigste ist, daß die oberste Frau in der Union in dieser umstrittenen Frage Bewegung zu erkennen gibt. Jetzt ist es an der Zeit, daß sich die Politikerinnen aller Couleur zusammentun und eine Lösung für das gesamte Deutschland ausarbeiten.

Sie fordern eine reine Frauen-Kommission?

Frauen wissen über Schwangerschaftskonflikte besser Bescheid. Unter den SPD-, FDP-, CDU- und Grünen-Frauen gibt es zahlreiche gute Rechtsexpertinnen. Wir dürfen diese Entscheidung nicht den Herren Bötsch, Waigel und Schäuble überlassen. Auch die Unionsfrauen haben erkannt, daß durch Strafandrohung Schwangerschaftsabbrüche nicht zu verringern sind. Wir wollen gemeinsam weniger Abtreibungen erreichen.

Sind Sie denn auch mit den Plänen von Rita Süssmuth, die Beratung zur Pflicht zu machen, einverstanden?

Meine Position ist: Ich will ein Angebot zur Beratung, keine Pflicht. Auf der Anhörung unserer Fraktion zum Beratungsgesetz haben sich die meisten Beraterinnen gegen den Zwang ausgesprochen. Für selbstbewußte Frauen ist die Pflicht, sich beraten zu lassen, eine Zumutung. Man muß aber auch sehen: Es gibt Frauen, die von ihren Partnern unter Druck gesetzt werden. Ihnen hilft es, wenn sie sagen können: „Ich muß mich aber beraten lassen“.

Nach dem Vorschlag von Frau Süssmuth soll die Beraterin für den abtreibenden Arzt eine Zusammenfassung des Gesprächs schreiben. Verhindert dies nicht jedes offene Gespräch?

Die Beratung darf auf keinen Fall protokolliert werden. Wenn sich die Frauen über ihre intimsten Situationen äußern, müssen sie sicher sein, daß nichts an Dritte weitergegeben wird.

Unterstützen Sie Süssmuths Forderung nach Rechtsansprüchen auf Kindergartenplätze, soziale Hilfen und nach einem Aufklärungskonzept?

Natürlich. Unsere einschlägigen Anträge im Familien -Ausschuß des Bundestages hat die CDU allerdings einstimmig abgelehnt. Es ist jetzt wirklich spannend zu sehen, welche Durchsetzungskraft Rita Süssmuth hat, wieviel Unterstützung sie aus der Union erhalten wird.

Welche Festlegungen müssen jetzt sofort im zweiten Staatsvertrag zwischen der DDR und der Bundesregierung getroffen werden?

Ich bestehe nicht auf der Formulierung „Selbstbestimmungsrecht der Frau“. Die Richtung für ein gesamtdeutsches Abtreibungsrecht muß jedoch vorgegeben werden. Etwa in folgender Formulierung: „Die Entscheidung, ein Kind auszutragen, steht in den ersten drei Monaten einer Schwangerschaft in der Verantwortung der Frau. Der Staat schützt das werdende Leben durch soziale Hilfen mit Rechtsanspruch, durch Beratung und Aufklärung.

Um den Staatsvertrag verhandeln doch auch wieder nur Männer?

Ich gehe davon aus, die CDU- und FDP-Frauen werden in ihren Gremien darauf dringen. Ich setze vor allem auf meine SPD -Kollegen in der DDR-Regierung.

Interview: Tina Stadlmayer