: Die Hühner fallen von der Stange
■ Im sonst kühlen Galizien ist eine Hitzewelle ausgebrochen / Auch Madrid stöhnt Im andalusischen Süden Spaniens hingegen bleiben die Temperaturen ungewöhnlich tief
Leichter Rückgang der Temperaturen, melden die spanischen Tageszeitungen, „Maximaltemperatur in Madrid nur noch 39 Grad“. Nachts kühlt es nur unmerklich ab. Doch die meisten Madrilener wälzen sich nicht schlaflos in den Betten, sondern sind, wie jeden Sommer, vor dem Backofen in die Berge oder ans Meer geflüchtet. Verwaltungen, Dienstleistungsbetriebe und Geschäfte funktionieren nur noch mit einer Notbesetzung oder gar nicht, die Metzger und Fischverkäufer haben ein Schild in die leeren Auslagen gehängt: Ware ist wegen der Hitze drinnen. Und das ganz große Geschäft machen in diesen Tagen natürlich die Eisdielen.
Die Touristen haben die Sonnenseite der Bürgersteige für sich, der Rest der Passanten drängelt sich im Schatten. In den U-Bahnen sieht es aus, als ob gerade das Fußballfinale zu Ende gegangen wäre, nur werden nicht Fahnen, sondern Fächer geschwenkt. 30 Personen wurden verletzt, als am vergangen Sonntag ein Zug in der Nähe der kastilischen Stadt Zaragoza entgleiste. Vermutlich hatten sich aufgrund der großen Hitze die Gleise verzogen.
45 Grad im Schatten sind in Madrid im August Pflicht, im Juli jedoch eine Unverschämtheit. Der Winter hatte sich mit immer neuen Kälteeinbrüchen bereits ungebührlich bis in den Mai hineingezogen, nachdem in den Monaten November bis Februar unvorstellbare Wassermassen über der an Trockenheit gewöhnten Stadt hinabgegangen waren. Sintflutartige Regenfälle hatten auch Andalusien heimgesucht, dort Überschwemmungen und Hochwasser verursacht und die Orangen und Zitronenernte erheblich geschädigt.
Im regengewohnten Baskenland hingegen war Trockenheit eingezogen und hatte die wenigen Wasserreservoirs bis auf ein Minimum geleert. Bis ins späte Frühjahr hinein war in Bilbao nur zwölf Stunden am Tag Wasser aus den Hähnen geflossen. Während Euskadi inzwischen jedoch wieder zum gewohnten bewölkten Himmel zurückgekehrt ist und sich die Reservoirs wieder weitgehend gefüllt haben, ist nach dem naßen Winter nun auch der Sommer in Andalusien zu „nordisch“: Unter 41 Grad Maximaltemperatur mag mancher Tourist stöhnen, doch für einen andalusischen Juli sind das nach Ansicht des Nationalen Instituts für Meterologie entschieden zu wenig.
Am heftigsten wirkt sich das ungewöhnliche Wetter jedoch auf Spaniens nordwestliche Provinz Galizien aus. Nebel und Regen bestimmen dort normalerweise auch im Sommer das Klima und lassen zur Freude der dort zahlreichen Kühe Wiesen ergrünen und erlauben den Anbau von Eukalyptusplantagen für die Papierindustrie. Der subtropische Baum ist anderswo gefürchtet, weil er den Böden schrecklich viel Wasser entzieht. Schon der letzte Sommer hatte sich jedoch durch große Trockenheit und Hitze ausgezeichnet, 58.000 Hektar Wald waren dabei verbrannt. Ökologen weisen darauf hin, daß die Anfälligkeit des Walds für Flächenbrände jedoch nicht nur auf die Trockenheit, sondern auch auf die sich ausbreitende Bodenerosion zurückzuführen ist. Umgekehrt ist es außerordentlich schwierig, Gegenden wieder aufzuforsten, deren Humus nach Bränden noch schneller von Wind und Regen abgetragen wird. Dieses Jahr wiederholt sich die Hitze. Allein an zwei Tagen sind letzte Woche in der Provinz Lugo 25.000 Hühner tot von der Stange gefallen: Hitzeschlag.
Das Staatliche Meterologieinstitut wiegelt hingegen ab: Im großen und ganzen sei der Sommer normal, läßt es gleichmütig verlauten. Und vermutlich werde er sich lange hinziehen, bis in den Oktober hinein. Wie tröstlich.
Antje Bauer, Madrid
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