Leuchtturmwächter, Glühkopfmotoren

■ Ost-Berliner Volkskundler inventarisiert das maritime Leben

Etwas verwundert schauen die Urlauber dem älteren Herren nach, der im Fischerort Maasholm an der Schlei jedes Haus fotografiert, aus Tau gewundene Hausnummern in Großaufnahme ablichtet und sogar den Anker in einem der Vorgärten aus allen Perspektiven aufnimmt. Wolfgang Rudolf aus Ost-Berlin arbeitet an der deutschen Ostseeküste als Volkskundler an einer einmaligen Aufgabe: der „Inventur“ maritimer Lebensart an der deutschen Küste. Der pensionierte Museumsdirektor hat während seiner aktiven Zeit auf Rügen die Erforschung der Gebiete Mecklenburg und Vorpommern abgeschlossen. Jetzt ist er im Auftrag der Schiffahrtsmuseumen in Flensburg und Bremerhaven unterwegs.

Der Volkskundler aus der DDR arbeitet nicht allein an der

selbstgestellten Aufgabe. Ein Team von interessierten Hobby -Heimatforschern, Wissenschaftlern des Seminars Volkskunde an der Kieler Universität, Denkmalpflegern und Museumsmitarbeitern hilft ihm dabei. In einem ersten Arbeitsabschnitt bereiste Rudolf in den vergangenen Monaten die Schlei von Maasholm bis Schleswig. Das Schiffahrtsmuseum stellte einen Pkw zur Verfügung, die Fischereiaufsicht in Kappeln hilft mit einem Dienstboot.

Auf das Interesse des Forschers stößt alles, was irgendwie typisch für das Leben und Arbeiten an der Küste ist: Hafenanlagen, Werften, Kräne, Leuchttürme, Hafenkneipen, Fischerfeste und vor allem die Lebensweise der Menschen. So erstreckt sich die Forschertätigkeit auch auf das Privatleben von Fischern und

Leuchtturmwärtern oder Hafenmeistern. Draußen an den Kaimauern der Fischerhäfen und an den Werftanlagen der Bootsbauer interessiert sich der Volkskundler für den Wandel. Wann wurden die Segel der Fischerboote gegen Motoren vertauscht? Wer baute das erste Boot aus Stahl? Wann wurden die schwerfälligen Glühkopfmotoren abgeschafft?

Die Besuche der Museumsleute in den Fischerdörfern sprechen sich schnell herum. Vielfach rufen auch später noch Menschen an, die für eine etwaige Ausstellung Exponate anbieten wollen. Die Arbeit des Forscherteams soll zunächst am Nord -Ostsee-Kanal enden: Die Mittel für weitere Forschungen reichen längst nicht aus. Jetzt hoffen die Wissenschaftler auf einen Sponsor, der hilft, das Projekt bis zur Trave zuendezuführen. F. Ohms/dp