Fristlose Kündigung wegen Heirat

■ Katholische Kirche darf die eigene Moral zum Arbeitsrecht machen / Vergleich vor dem Arbeitsgericht

Im Prinzip hat auch die Katholische Kirche nichts gegen die Ehe. Im Fall der Lingener Heilpädagogin Andrea Kohne allerdings bestrafte der Bischof die Heirat mit fristloser Kündigung. Der Grund: Andrea Kohne hatte nach einer Scheidung 1987 am 6. Dezember vergangenen Jahres zum zweiten Mal geheiratet - und damit gegen den Paragrafen 6 ihres Arbeitsvertrages verstoßen. Darin hatte sie sich nämlich verpflichten müssen, keinen „groben äußeren Verstoß gegen das Kirchenrecht“ zu begehen. Doch genau das sei mit ihrer zweiten Heirat passiert, argumentierte der katholische Caritasverband in seiner Kündigung.

Dieses Recht der Kirche, ihre eigene Moral zur Voraussetzung des Arbeitsvertrages zu machen, bestätigte jetzt auch das Lingener Arbeitsgericht. Allerdings nur im Prinzip: Im konkreten Fall Andrea Kohne mußte die Caritas die Kündigung zurücknehmen und

verpflichtete sich zur Nachzahlung von rund 40.000 Mark Gehalt.

Der Fall hatte im erzkatholischen Emsland hohe Wellen geschlagen. Schließlich kam die Kündigung bei der Caritas einem Berufsverbot gleich. Denn in Lingen sind alle entsprechenden Einrichtungen konfessionell ausgerichtet: Aber die Evangelische Kirche würde die katholische Heilpädagogin nicht beschäftigen und die Katholische Kirche wollte es nicht mehr.

„Wie im Mittelalter“

Die prominenteste Meinung äußerte beim Leserbriefstreit in der Lingener Tagespost der damalige niedersächsische Umweltminister Werner Remmers: „Es hätte ausgereicht“, schrieb der Minister, im Ehrenamt stellvertretender Vorsitzender des Zentralverbandes der Katholiken, „wenn die Vertragspartner sich einvernehmlich über das Ausscheiden

nach angemessener Frist verständigt hätten. Ich kann nur empfehlen, die fristlose Kündigung schnellstens zurückzunehmen.“ Die Mehrheit der Zuschriften allerdings zeigte auch für eine fristgerechte Kündigung wegen Heirat („Wie im Mittelalter“) überhaupt kein Verständnis. Und selbst der Oberstadtdirektor und der Stadtrat (CDU-Mehrheit) kritisierten die Kündigung.

Schließlich ergriff Mitte März der Osnabrücker Weihbischof Theodor Kettmann höchstpersönlich das Wort in Lingen. „Als Abbild der nie endenden Liebe zwischen Christus und seiner Kirche ist die gültig geschlossene und durch die eheliche Hingabe vollzogene sakramentale Ehe unauflöslich. Sie wird nur durch den Tod gelöst“, dozierte er und folgerte für den konkreten Fall: Die fristlose Kündigung sei rechtmäßig, denn die Heilpädagogin stehe mit ihrer Arbeit in der Kindertagesstätte „in exponierter Stellung

in der Gemeinde“.

Weil bei der fristlosen Kündigung allerdings übersehen worden war, daß Andrea Kohne als Mitarbeitervertreterin der Kindertagesstätte besonderen Kündigungsschutz hatte und zudem die zulässige Frist um eine Woche überschritten war, schickte der Caritasverband im Mai auch noch eine fristgerechte Kündigung hinterher. Doch auch die kam zu spät, belehrte jetzt das Arbeitsgericht die katholischen Arbeitgeber. Denn im Mai hatte die zweite Ehe auch gegen den Willen des Bischofs Gottes Billigung erhalten: Die Heilpädagogin war schwanger und damit unkündbar.

Einschließlich Erziehungsur

laub bleibt Andrea Kohne dank Schwangerschaft und Arbeitsgericht nun doch noch bis zum Mai 1992 bei der Caritas beschäftigt. In dem Vergleich behielt sich der kirchliche Arbeitgeber allerdings vor, nach Ablauf dieser Frist sofort wieder zu kündigen. Doch bis dahin kann noch viel passieren, meint Kohnes Anwalt Robert Koop. Schließlich läuft am 1. März 1992 der Vertrag aus, in dem der Caritas die Trägerschaft der Kindertagesstätte von der Stadt Lingen übertragen wurde. Nach dem öffentlichen Protest gegen die sakramentale Kündigung zeigt der katholische Verband wenig Neigung, die Trägerschaft zu verlängern.

„Außerdem könnte es bis dahin in einer gesamtdeutschen Verfassung ganz andere Rahmenprinzipien geben“, hofft Anwalt Koop. Das Privileg der Kirche, eigenes Arbeitsrecht anzuwenden, stammt noch direkt aus der Weimarer Reichsverfassung. Noch hat damit das Bundesverfassungsgericht jeden Versuch zurückgewiesen, auch die Kirche ans weltliche Arbeitsrecht zu binden. Noch antwortet der Bischöfliche Generalsekretär Dr. Heitmeier auf die Nachfrage der taz in Sachen Lingener Kündigung nur mit dem Hinweis auf die „über 1.000 Paragraphen des Kirchenrechts“ - und knallt den Hörer auf.

Dirk Asendorpf