Versicherungsgesetz soll „große Fische“ locken

■ Polnische Assekuranz aus monopolistischer Ruhe aufgeschreckt / Steuervorteile für Ausländer bei Mehrheitsbeteiligungen / Anpassung an EG-Richtlinien

Aus Warschau Klaus Bachmann

„Ich habe den Eindruck, daß heute ein Krieg um Polens Unabhängigkeit geführt wird, aber nicht mit Hilfe von Karabinern, sondern mit Hilfe von Geld.“ Janusz Baranowski, Chef des Aufsichtsrats der polnischen Westa-Versicherung, spart nicht mit harten Worten. In einem ganzseitigen Inserat in der 'Gazeta Wyborcza‘ richtet er in einem „Offenen Brief an den Senat der Republik“ die Aufforderung, das vom Sejm bereits verabschiedete neue Versicherungsgesetz zu korrigieren.

Baranowski befürchtet, das Gesetz fordere ausländische Konzerne geradezu auf, die polnischen Versicherungen zu schlucken. Grund für die Befürchtung ist eine Bestimmung nach der ausländische Investoren bei Joint-ventures „mindestens die Hälfte des Stammkapitals“ einer neuzugründenden Versicherung übernehmen müssen, um in den Genuß des Joint-venture-Gesetzes und seiner Steuererleichterungen zu kommen.

Bei bestehenden Gesellschaften kann der ausländische Anteil beliebig hoch sein. Da jedoch Joint-ventures bei Versicherungen laut Gesetz nur als Aktiengesellschaften betrieben werden dürfen, fürchtet Westa nun, daß „dieser Artikel Bedingungen zur Beherrschung des polnischen Versicherungsmarktes durch ausländisches Kapital schafft“. Bis 1993 seien die polnischen Versicherungsunternehmen nicht in der Lage, sich so zu reorganisieren, daß sie der ausländischen Konkurrenz standhalten könnten.

Mit dem neuen Gesetz soll das polnische Versicherungswesen den Standards der Europäischen Gemeinschaft angenähert werden. Bisher zeichnete sich Polens Versicherungswirtschaft durch eine starke Monopolisierung aus: Nicht genug, daß bestimmte Versicherungen - und zwar nicht nur im Bereich der Kraftfahrzeughaftpflicht - gesetzlich vorgeschrieben waren, die Versicherungsnehmer hatten häufig auch keine Wahl zwischen verschiedenen Instituten. Neben der staatlichen Firma PZU existieren zur Zeit noch die genossenschaftlich organisierte „Westa“ und die „Warta“, die sich vor allem auf Auslandsversicherungen spezialisiert hat, sowie neun kleinere Unternehmen.

Um mehr Konkurrenz herzustellen, will das Finanzministerium nun auch Privaten und Ausländern den Zugang zum Versicherungsmarkt ermöglichen. Allerdings soll dies nur auf der Basis von Aktiengesellschaften und Versicherungsgesellschaften auf Gegenseitigkeit möglich sein. Zugelassen werden sie vom Finanzminister, der auch Statut und Allgemeine Geschäftsbedingungen genehmigen muß und Lizenzen für Versicherungsagenten erteilt. Entsprechen die laufenden Geschäfte nicht den Finanzauflagen, so kann das Ministerium eingreifen und im Zweifelsfall eine Gesellschaft auch auflösen.

Zugleich mit dieser Novellierung wird auch ein Garantiefonds gegründet, in dem die Versicherungen als Mitglieder ihre Risiken untereinander absichern. Dies ist um so notwendiger, als die Vorsorge der Gesellschaften in nächster Zukunft zwangsläufig begrenzt sein wird. Ihre Fonds dürfen selbst Joint-venture-Versicherungen nur in Polen anlegen, Wertpapiere können sie nur auf dem polnischen Markt erwerben. Da sich Polens Wertpapiermarkt einstweilen noch auf gerade eine Handvoll Aktien und Obligationen beschränkt, ist dabei eine risikosenkende Streuung kaum möglich. Genehmigungen zum Erwerb ausländischer Aktien aber können vom Finanzminister erteilt werden.

Die Bestimmungen für ausländische Versicherungen unterscheiden sich von den bisherigen Joint-venture -Auflagen. Jeder ausländische Versicherer muß einen Generalvertreter mit ständigem Wohnsitz in Polen haben und ist verpflichtet, eine Bilanz sowie eine Gewinn- und Verlust -Rechnung zu publizieren. Der Finanzminister legt auch fest, welchen Anteil seines Gewinns der ausländische Partner transferieren darf; mindestens 15 Prozent müssen zugestanden werden.

Grundsätzlich werden nur Genehmigungen an Gesellschaften erteilt, in deren Herkunftsland auch polnische Versicherungen zugelassen werden können. Auch habe man sich für liberale Vorschriften bei strikter staatlicher Kontrolle „nach englischem Vorbild“ entschieden, und sich zugleich bemüht, diese Bestimmungen den EG-Standards anzupassen, betont Wojciech Kostrzewa, Berater im Finanzministerium.

Wenn der Senat dem Projekt zustimmt, wird sich für Polens Versicherer einiges ändern. Die genossenschaftliche „Westa“ muß sich dann in eine Aktiengesellschaft verwandeln, PZU wird eine AG des Staates, was eine eventuelle Privatisierung erleichtern wird. Auch für kleine kommunale Versicherungen ist dann der Weg frei, denn eine AG kann man in Polen schon für umgerechnet 50.000 DM gründen. Daß mit mehr Konkurrenz dann auch das eher geruhsame Dasein für PZU, Westa und Warta vorbei sein wird, ist sicher. Vor diesem Hintergrund ist die Anzeigenaktion zu sehen, die Westa zur Zeit gegen das neue Versicherungsgesetz führt: Ausdruck der Nervosität.

Das neue Gesetz gewährt den ausländischen Investoren mehr Freiheiten als die bisherigen Joint-venture-Bestimmungen, ähnlich wie das Bankengesetz. Dahinter steht der Versuch der polnischen Regierung, endlich auch „große Fische“ an Land zu ziehen. Zu große, findet Westa und fordert daher, den Anteil ausländischer Investoren an polnischen Versicherungen auf „maximal 50 Prozent“ zu begrenzen. Der Senat hat sich dazu noch nicht geäußert.