Bagdads Begehren

■ Zum irakisch-kuweitischen Konflikt

Bagdad verlegt dreißigtausend Elitesoldaten ins Grenzgebiet zu Kuweit.“ So lautete die Schlagzeile in den letzten Tagen. Militärische Schritte seien notwendig geworden, ließ der Herrscher am Tigris verlauten, da Kuweit Bohrungen aus irakischem Gebiet niederbringe, überdies seit gut zehn Jahren respektable Mengen irakischen Öls stehle und zu allem Überfluß die Ölhähne so weit aufgedreht habe, daß der Preis für das Schwarze Gold hoffnungslos im Keller und die mesopotamischen Staatskassen deshalb leer seien.

Die Ölreserven Kuweits gelten, obwohl der winzige Golfstaat nur etwa halb so groß ist wie die Schweiz, als die weltweit drittgrößten. Es ist also nicht verwunderlich, wenn das schwerreiche Ländchen die Begehrlichkeit des mächtigen Nachbarn weckt. Dabei hätten die kuweitischen Streitkräfte alles in allem zwanzigtausend Mann - tatsächlich kaum Chancen, sich gegen das mehr als eine Million Soldaten zählende Heer des Zweistromlandes zu verteidigen. In Kuweit betonte man daher stets, man werde, wenn dies denn nötig sein sollte, den Vereinigten Staaten kuweitische Einrichtungen zur Verfügung stellen - eine vorsichtige Umschreibung eines sehr klaren Sachverhaltes. Und auch über das gemeinsame Flottenmanöver, das die USA gerade mit den Vereinigten Arabischen Emiraten im Golf durchführen, ist man in Kuweit keineswegs unglücklich.

Doch obwohl Bagdads Regent Saddam Hussein schon in der Vergangenheit mehrmals die Vermutung geäußert hatte, ganz Kuweit befände sich ja vielleicht auf eigentlich irakischem Territorium, sind sich alle politischen Beobachter einig: Im Moment zumindest plant Saddam keineswegs, sich den kleinen Nachbarn einzuverleiben und einen militärischen Konflikt mit den USA zu riskieren. Denn Hussein inszenierte die Truppenverlegung, gestaltete sie als martialische Geste. Just am Tage der Mobilmachung durften ausländische Militärattaches nämlich das Grenzgebiet bereisen. Eine seltene Ehre, bei der sie dann genau das zu sehen bekamen, was sie sehen sollten.

Sinn macht das irakische Manöver durchaus. Denn zum einen will der bei den Golfstaaten aufgrund großzügiger Unterstützung während des Golfkrieges tief in der Kreide stehende Irak dadurch eine langfristige Stundung, wenn nicht gar Streichung seiner lästigen Verpflichtungen erzwingen. Und zum anderen will er die seit gestern in Genf tagende OPEC-Konferenz, die über Barrel-Preis und Förderquoten zu befinden hat, veranlassen, den Ölpreis anzuheben und den Irak mit einer möglichst hohen Förderquote zu bedenken. Einen Erfolg hat Saddam Husseins inszenierte Krise unterdessen schon gezeigt: Der Ölpreis, der im Juni noch bei kärglichen 14 Dollar pro Barrel lag, stieg im Laufe des Juli auf 18 Dollar. Und die Tendenz zeigt nach oben.

Walter Saller