Grüner Bischof wird Thatchers neuer Hirte

■ Britische Premierministerin ernennt mit George Carey einen Außenseiter zum neuen Erzbischof von Canterbury

London (dpa/taz) - Die Anglikanische Kirche von England erhält einen neuen Hirten: Die britische Premierministerin Margaret Thatcher ernannte gestern den 54jährigen Bischof von Bath und Wells, George Carey, zum Nachfolger von Robert Runcie als Erzbischof von Canterbury, der gleichzeitig geistlicher Führer der Kirche von England und der Anglikanischen Weltkirche ist. Die offizielle Benennung bleibt jedoch Königin Elizabeth vorbehalten: Sie ist das Oberhaupt der Anglikanischen Kirche von England. Runcie geht nach zehn Jahren Amtszeit auf Rente.

Thatchers Entscheidung für Carey kam völlig überraschend. Es war erwartet worden, daß die Premierministerin entweder John Habgood, den Erzbischof von York, oder David Sheppard, den Erzbischof von Liverpool, bestimmen würde. Beide zählen zum „liberalen Flügel“ der Staatskirche. Sheppard nannte Carey einen „talentierten und fähigen Mann“. In anderen Kommentaren wurde Carey als „absoluter Außenseiter“ bezeichnet. Thatchers Pressesprecher wollte die Wahl Careys gestern nicht kommentieren. Er sagte zur taz: „Eine 16köpfige Ernennungskommission hatte der Premierministerin bereits in der vergangenen Woche zwei Namen vorgelegt. Frau Thatcher hat sich für Carey entschieden und am Montag ein Gespräch mit ihm geführt.“ Der Name des Konkurrenten wird traditionsgemäß nicht bekanntgegeben.

Der Bischof von Bradford, Robert Williamson, bezeichnete die Ernennung Careys als „einfallsreich und aufregend“. Carey, der aus dem Londoner Eastend stammt, hat nicht - wie die Favoriten für den Job - eine private Eliteschule besucht. Nach dem Studium am Londoner King's College arbeitete er als Funker bei der britischen Luftwaffe. 1962 wurde er zum Priester geweiht. Bischof von Bath und Wells wurde er erst 1987. Die Diözese ist ein eher unbedeutender Kirchenbezirk.

Carey gehört dem evangelischen Flügel der Anglikanischen Kirche an. Er ist ein starker Vertreter der Ökumene. Dem neuen Hirten steht ein schweres Amt bevor: Die Fragen des Frauenpriestertums und der Wiedervereinigung mit der römisch -katholischen Kirche drohen, die 70 Millionen Anglikaner zu spalten. Carey gilt als engagierter Umweltschützer. Bruce Kent von der Anti-Atomorganisation CND sagte zur taz: „Hoffentlich setzt er sich mehr für Atomabrüstung ein, als es die anglikanische Kirche bisher getan hat.“

RaSo