Bleiberecht für abgelehnte Asylbewerber

■ Für langjährige „De-facto-Flüchtlinge“ gewährt Nordrhein-Westfalen endlich Sicherheit

Düsseldorf (taz) - Abgelehnte Asylbewerber, die wegen unsicherer Lebensverhältnisse in ihren Heimatländern nicht abgeschoben wurden und andere langjährig in Nordrhein -Westfalen lebende Flüchtlinge bekommen in NRW jetzt ein dauerhaftes Bleiberecht. Einen entsprechenden Erlaß hat der Düsseldorfer Innenminister Herbert Schnoor am 19.6.1990 herausgegeben. Mit der Verfügung sollen die sogenannten „Altfälle“ geregelt werden. Dabei handelt es sich vor allem um Flüchtlinge aus dem Iran, Libanon und Afghanistan, sowie um Tamilen und religöse Minderheiten aus der Türkei. In den Genuß des unbefristeten Bleiberechts sollen aber nur diejenigen kommen, die entweder seit acht Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet leben oder seit fünf Jahren und in ihrem Haushalt „für mindestens ein minderjähriges Kind sorgen“. Diejenigen, die dauerhaft Sozialhilfe beanspruchen, sollen dem Erlaß zur Folge nur dann ein Bleiberecht bekommen, wenn sie entweder krank oder berufsunfähig sind, als Alleinerziehende keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können, oder wenn sie sich innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Antragstellung „nachweislich um einen Arbeitsplatz bemüht haben“. Wieviele der „De-facto-Flüchtlinge“ in NRW letztendlich in den Genuß dieser Regelung kommen, weiß bisher niemand. Die Frankfurter Bundesarbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge, Pro Asyl, hat die anderen Bundesländer inzwischen aufgefordert, dem Beispiel zu folgen. Mit dem Erlaß gehe für „viele Flüchtlinge die Zeit völliger Unsicherheit zu Ende“.

Interview mit Annelore Hermes, Flüchtlingsreferentin bei der Gesellschaft für bedrohte Völker

taz: Frau Hermes, was halten Sie von dem Bleiberechterlaß in NRW. Ist den Flüchtlingen damit gedient?

Annelore Hermes: Gemessen an dem was bisher existiert, halten wir als Menschenrechtsorganisation diese Regelung grundsätzlich für einen großen Fortschritt. Für langjährig hier lebende Flüchtlinge fällt endlich die Angst, zurückgeschickt zu werden, weg. Die Fristen sind allerdings nicht unproblematisch, denn ein lediger Flüchtling, der hier z.B. als abgelehnter Asylbewerber seit sieben Jahren lebt, hat die gleichen Probleme, wie jemand der schon acht Jahre hier ist.

Wieviele Flüchtlinge werden in den Genuß der neuen Regelung kommen?

Das kann ich derzeit noch nicht sagen.

Gibt es vergleichbare Vorschriften in anderen Bundesländern?

Ja. Soweit ich das bisher vergleichen konnte, ist dieser Erlaß einer entsprechenden Verfügung der niedersächsischen Regierung vom Dezember 1989 sehr ähnlich. Auch die Fristen sind dieselben. Über diesen Erlaß hinaus kann man aber feststellen, daß der Düsseldorfer Innenminister Herbert Schnoor in letzter Zeit mehrere beispielhafte Initiativen gestartet hat, die nicht nur die Regelung von sogenannten Altfällen, sondern auch das Bleiberecht von besonders verfolgten Gruppen betrafen. Das gilt z.B. für die aus religiösen Gründen in der Türkei verfolgten Yezidi und für türkische Christen.

Ergeben sich aus dem neuen NRW-Erlaß Forderungen an die Bundesregierung oder andere Länder?

Wir sind selbstverständlich der Meinung, daß die anderen Bundesländer dem Beispiel folgen sollten. Nach unserer Auffassung müssen die Fristen allerdings verkürzt werden. Darüber hinaus fordern wir alle Bundesländer auf, den Mut aufzubringen und Kollektivregelungen für besonders verfolgte Gruppen zu verfügen. Dabei geht es darum, daß Nachzügler, die ihrer geflohenen Glaubensgruppe - etwa bei den Yezidi ins Ausland folgen, nicht mit Stichtagsregelungen zurückgewiesen werden.

Walter Jakobs