Zeit „nicht reif“ für gemeinsame Lösung

■ DDR-Familienministerin Christa Schmidt zum §-218-Vorschlag von Rita Süssmuth: DDR-Fristenlösung muß übergangsweise erhalten werden / Keine Zwangsberatung

INTERVIEW

taz: Rita Süssmuths §-218-Vorstoß entspricht nicht Ihren bisherigen Vorstellungen: Sie sind für die Beibehaltung der DDR-Fristenlösung für eine Übergangszeit, außerdem halten Sie nichts von einer obligatorischen Beratung. Was also sagen Sie zu diesem Vorschlag?

Christa Schmidt: Für die Fristenlösung bin ich nach wie vor. Aber Frau Süssmuths Vorschlag geht in diese Richtung: keine Strafverfolgung nach einem Abbruch. Wir bleiben aber natürlich dabei, daß wir keine Zwangsberatung wollen. Wir sind für Beratung, die sich die Frau aber frei wählen kann. In diesem Punkt kann ich mit Frau Süssmuth nicht mitgehen. Wir wollen ein möglichst gutes Gesetz machen, das die Beratenden in die Pflicht nimmt.

Frau Süssmuths Vorschlag ist eine gute, kluge Grundlage, auf der man weiter diskutieren kann. Über Einzelheiten müßte man sich erst einmal verständigen. Ich hatte bisher keine Gelegenheit, mit ihr selbst darüber zu sprechen.

Sind Sie dazu überhaupt aus Bonn gefragt worden? Oder wurden die Ost- von den West-Frauen überrannt?

Ich hatte auch keine Gelegenheit, mit einzelnen prominenten BRD-Politikerinnen darüber zu reden. Aber überrannt? Das würde ich nicht so sehen. Wir sind immer noch der Meinung, daß wir unsere Vorstellungen in den Einigungsvertrag einbringen können. Dort möchte ich unsere Fristenlösung für eine Übergangszeit festgeschrieben sehen. Denn für eine gemeinsame Lösung ist die Zeit noch nicht reif. Nach den gesamtdeutschen Wahlen könnte ich mir eine Enquete -Kommission vorstellen, die in Ruhe und ohne daß sie dauernd öffentlich nach Ergebnissen gefragt wird, über zwei, drei Jahre das Problem aufarbeitet.

Was halten Sie von der Lebensschutzklausel, die Frau Süssmuth gern in der Verfassung haben möchte.

Ich kann diese Klausel nur begrüßen. Daneben muß aber das Selbstbestimmungsrecht der Frau stehen. Über eine konkrete Formulierung kann man noch nachdenken.

Ihre Position scheint nicht nur innerhalb ihrer Partei, sondern auch innerhalb des Ministerrats umstritten. Zumindest hat der Minister für Gesundheitswesen, Jürgen Kleditzsch, den Süssmuth-Vorschlag gelobt und erklärt, daß es in der Abtreibungsfrage in einem geeinten Deutschland keine zwei Rechtsordnungen geben dürfe.

Ich räume Herrn Kleditzsch ein, daß er das so sieht. Aber meine Meinung hierzu ist wohl deutlich genug.

Wird sie auch von ihren KollegInnen im Ministerrat mitgetragen?

Das kann ich Ihnen nicht beantworten, weil das in den letzten Wochen kein Thema des Ministerrats war.

Das Interview führte Ulrike Helwerth